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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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schien sich etwas zu entspannen.
    Ich seufzte auf. Was immer Gorman solche Schmerzen verursacht hatte, schien zumindest für den Augenblick nicht weiter fortzuschreiten.
    Ich kniete mich wieder an seine Seite und beugte mich zu ihm hinab.
    »Es tut mir leid«, flüsterte ich mit Tränen in den Augen. »Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass du mitkommst. Es ist meine Schuld.« Ich strich ihm vorsichtig über das Gesicht. Es fühlte sich ungewöhnlich warm an.
    »Nein, Ainwa«, sagte Gorman leise. »Niemand darf dir etwas tun.«
    Ich richtete mich auf und ergriff meinen Bogen.
    »Was hast du vor?«
    »Ich werde ihn dafür bezahlen lassen, was er dir angetan hat!«
    »Nein!« Gorman versuchte vergeblich, sich aufzurichten. »Er holt dich! Er holt dich!«
    »Gorman«, unterbrach ich ihn. »Du darfst den Kreis nicht verlassen, egal, was passiert, hörst du? Ich habe keine Ahnung, was er mit dir gemacht hat, aber im Moment steht es still.«
    Ich zwang mich zu einem Lächeln.
    »Ich werde eine Wanife sein, wenn ich ihn getötet habe. Dann werde ich bestimmt wissen, wie ich dir helfen kann.«
    Ich wandte mich ab und trat aus dem Bannkreis hinaus.
    Alles schien ruhig. Der Kelpi war nirgends zu sehen. Zögernd stapfte ich in den Fluss hinein. Meine Kleidung zog erneut eisiges Wasser auf. Ich atmete schnell. Meine Hände, die Pfeil und Bogen umklammert hielten, zitterten leicht.
    Hatte ich eigentlich einen Plan, wie ich den Kelpi besiegen wollte? Mit welchen Kräften verteidigte sich ein Wanife normalerweise?
    Ich trat auf das steinige Ufer hinaus und sah mich um. Mein Fuß stieß gegen etwas Weiches. Langsam blickte ich zu Boden – und sprang erschrocken zurück.
    Es war eine Vorderpfote des Luchses. Der Rest von ihm lag über die Ufersteine verteilt. Das Tier hatte einen furchtbaren Preis dafür bezahlt, mir das Leben zu retten.
    Eine Eiseskälte ergriff von mir Besitz. Ich konnte die Nähe des Kelpis spüren … warum zeigte er sich nicht?
    Ich sah ängstlich zum Waldrand hinüber, jeden Augenblick bereit, den dunklen Schatten des Kelpis daraus hervorpreschen zu sehen.
    »Ainwa«, brüllte Gorman plötzlich panisch. Ich fuhr herum und fand mich unmittelbar vor der Furcht einflößenden Gestalt des Kelpis wieder.
    Ich schrie und wollte meinen Bogen heben.
    Der Hieb des Kelpis kam so schnell, dass ich ihn nicht kommen sah. Ich segelte durch die Luft und schlug schwer auf dem steinigen Uferboden auf.
    Ein stechender Schmerz flammte in meinem rechten Bein auf. Der Kelpi stieß ein schauderhaftes Keckern aus und näherte sich mir.
    Ich blickte ihm starr vor Schreck entgegen. Auf Brusthöhe des Kelpis, zwischen den wogenden Schatten, nahm ich ein schwaches, rötliches Schimmern wahr, das mir vorher nicht aufgefallen war. Wenn mein Pfeil ihn dort traf, vielleicht … Ich sah mich um. Mein Bogen lag in einigen Metern Entfernung zwischen den Ufersteinen.
    Ich wollte aufstehen, doch mein verletztes Bein knickte unter meinem Gewicht weg.
    Der Schmerz brachte mich fast um den Verstand, aber wenn ich den Bogen nicht erreichte, dann … Ich begann, auf den Bogen zuzukriechen.
    Ich streckte die Hand aus, um ihn zu ergreifen, als ich an den Beinen gepackt und zurückgerissen wurde.
    Eine langfingrige Pranke packte mich am Hals und hob mich in die Höhe.
    Die rot glühenden Iriden des Kelpis tauchten vor meinem Gesicht auf. Meine Glieder erschlafften augenblicklich. Ich wollte nach dem Kelpi treten, ihm meine Finger in die Augen bohren, aber so sehr ich es auch versuchte, ich konnte mich nicht mehr bewegen.
    Die Gestalt des Kelpis verdichtete sich. In seinem Maul blitzten blutverschmierte Fangzähne auf. Er würde mir die Kehle durchbeißen, mich zerfleischen wie den Luchs, während ich hilflos wie ein Welpe in seinem Griff hing.
    Weit hinter dem Kelpi sah ich das Schimmern der Kristalle. Etwas bewegte sich dort. Gorman schleppte sich auf den Rand des Bannkreises zu, den Blick starr auf mich gerichtet.
    Ich wollte schreien, ihn davon abbringen, aber nur ein schwaches Krächzen drang von meinen Lippen. »Gorman, nicht!«
    Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als ihn irgendwie aufhalten zu können. Das schwarze Grauen, das mich in seinem Bann hielt, war mein Fluch. Ich durfte nicht zulassen, dass es Gorman noch mehr antat.
    »Bitte«, flüsterte ich. »Bitte nicht!«
    Für einen Wimpernschlag schien Gorman mir zuzulächeln, dann durchbrach er den Kreis. Ein Schauder überlief die Gestalt des Waldgeists und seine Aufmerksamkeit löste

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