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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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blutverschmierten Arm.
    »Es fühlt sich seltsam an«, sagte er leise. »Ich kann dein Blut spüren. Es ist … es ist …« Er fixierte mich. »Es kocht!«
    Ich lächelte matt und sah zum anderen Flussufer. Im Licht des Blutmondes hockte ein Luchs und starrte mit leuchtenden Augen in unsere Richtung.
    Ich erwiderte den Blick des Tieres. Der Luchs verhielt sich eigenartig. Normalerweise mieden sie menschliche Nähe. Ich fühlte den sonderbaren Drang, zu dem Luchs hinüberzugehen und meine Finger in seinem Fell zu vergraben …
    »Was ist, Ainwa?«
    »Ich muss aufbrechen«, antwortete ich.
    Ich wusste nicht, warum, aber ich hatte das untrügliche Gefühl, dieses Tier war gekommen, um mir zu helfen.
    Gorman sah zu Boden.
    »Was, wenn ich dich bitten würde, nicht zu gehen?«
    Mein Blick verharrte für einen Moment auf seiner wehmütigen Miene.
    »Wenn ich bleibe, bringe ich dich in Gefahr«, flüsterte ich. »Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir meinetwegen etwas passiert.«
    Gorman sah aus, als wollte er widersprechen, doch dann nickte er.
    »Jetzt ist es in Ordnung«, meinte er mit einem vorsichtigen Lächeln. »Ich werde hier warten, so lange, bis du zurück bist.«

Kapitel 2
    Schatten und Blut
     
     
     
    D er Luchs erwartete mich seelenruhig am anderen Ufer des Weyta, während ich durch das eiskalte Wasser watete. Normalerweise bekam man die scheuen Tiere nur selten zu Gesicht. Sie waren nicht groß genug, um ausgewachsene Menschen als Beute zu betrachten und sie fürchteten die Speere und das Feuer der Jäger.
    Ich wandte mich noch einmal um.
    Gorman hockte am Lagerfeuer und starrte mit ausdrucksloser Miene in die Flammen. Wenn ich doch bei ihm hätte bleiben können …
    Der Luchs erhob sich und trottete ein paar Schritte vorwärts, bis er neben mir stand. Er warf mir einen auffordernden Blick zu.
    »Ich verstehe«, murmelte ich. »Ich hoffe bloß, du kennst geheime Pfade zu ihnen. Ich möchte nicht verschwinden, so wie Elfgreth und Elman.«
    Der Wald wuchs so dicht, dass es mir schwerfiel, dem Luchs zu folgen. Die meiste Zeit krallte ich eine Hand in sein weiches Fell, um ihn nicht zu verlieren.
    Wenn ich es tatsächlich schaffte, würde ich die geheimnisvollen Urukus aus der Nähe betrachten können.
    Ich trat auf eine kleine Lichtung hinaus.
    Im Mondlicht erkannte ich, dass sie übersät von Fliegenpilzen war. Ich hatte noch nie so viele auf einem Fleck gesehen. Sie wuchsen in Kreisen und bildeten verschlungene Muster. Der Luchs schien mit einem Mal nervös. Sein Fell sträubte sich und ein tiefes Knurren drang aus seiner Kehle.
    Ein eigenartiges Gefühl ergriff Besitz von mir. Hätte ich Fell, es hätte sich wohl ebenfalls gesträubt.
    »Irgendetwas ist hier vorübergezogen«, sagte ich und blickte mich um. In der Ferne hörte ich das Heulen eines Wolfsrudels. Ein kühler Wind zog auf und wirbelte das alte Laub durcheinander.
    »Ich fühle etwas«, flüsterte ich und schloss die Lider. »Wie wenn eine eisige Hand meinen Geist berührt. Der Kelpi … er war hier, nicht wahr?«
    Ich öffnete die Augen. Der Luchs hob den Kopf und starrte mich aus grünen Augen an. Ich konnte die Nähe des Kelpis förmlich spüren … wie einen schwarzen Schatten sah ich ihn durch den Wald rauschen. Ein kaum wahrnehmbares Flüstern drang an mein Ohr.
    »Er fühlt sein Opfer. Den Menschen mit dem Wanifenblut. Er will ihn. Er … sieht ihn!« Ich stieß einen erschrockenen Schrei aus und fuhr herum.
    Doch die finstere Geistergestalt, die ich erwartet hatte, war nirgends zu sehen.
    Mein Körper bebte. Ich hatte die Gedanken des Waldgeists gehört, da war ich mir sicher. Und der Kelpi war überzeugt gewesen, mich gefunden zu haben.
    Im selben Augenblick erschallte wieder der gespenstische Schrei, den ich vorhin bei Gorman gehört hatte. Das kam vom Fluss. Wieso glaubte der Kelpi, ich wäre …?
    Ich erstarrte. Zitternd hob ich meinen linken Arm. Das Blut war kaum getrocknet.
    Zwei Seelen, ein Blut …
    »Gorman«, brüllte ich und spurtete los. Ich rannte so schnell ich konnte durch das Dickicht. Immer wieder stolperte ich, stürzte, riss mir die Haut an einem Brombeerstrauch auf. Doch all das nahm ich kaum wahr.
    Der Luchs glitt neben mir durch das Unterholz und wich mir nicht von der Seite. Irgendwann hörte ich das Rauschen des Flusses und stolperte auf das steinige Ufer.
    In vielleicht fünfzig Schritten Entfernung machte ich die schwindende Glut von Gormans Feuer aus und seine breitschultrige Gestalt, die sich

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