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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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Chlamtatsch derlei nicht angesehen, wenn er vor der Terrasse zu Pferde stieg, und Istvan den Bügel hielt. Unser Bürschl sah gut aus: die Reithosen waren ausgezeichnet geschnitten, die Stiefel auch. Beides teuer, vom Besten, wie man zu sagen pflegt. So also hatte man ihn neu ausgestattet, schon für den Sommer. Genau besehen waren das Instrumente der Erbschleicherei, wie etwa das Bridge im Hause Chlamtatsch auch. Aber die Tante Ada bekam unseren hübschen Buben in solcher reizvoller Tournüre nicht zu sehen, weil sie soff. Ein einziges Mal nur erschien sie zum Abendessen.
    Das Ganze, was jetzt zu Pferd stieg, wog damals etwa zweiundfünfzig Kilogramm. Dieses blonde Gesichtei, im Schnitt zärtlich und breit, zeigte doch seit längerem den uns bekannten strengeren Zug, welcher schon der Ingenieurin Monica Bachler im Clayton’schen Garten als reizvoll erscheinen wollte. Die Grundlinien waren von der Frau Henriette Frehlinger verstärkt worden, und darüber erst legte sich dann, was der M.C. diesbezüglich postulierte. Bei der Lektüre des Brantôme dachte Zdenko jetzt oft an Frau Henriette, es war eigentlich das erste Mal, daß er sich ihrer wiederum bildhaft entsann, und diese Bilder blieben nicht ohne Wirkung auf ihn, das läßt sich denken.
    ,Blöde Kuh‘ (Monica Bachler, in Gedanken) war doch eine das Wesen der Person nicht ganz verfehlende Bezeichnung für die schöne Freundin gewesen. Wenn man jetzt an den aus Budapest inzwischen längst wieder nach Wien gelangten und dort herumtratschenden Herrn Radinger denkt und ihn mit Zdenko vergleicht, Zdenko, dem ,Bombensicheren‘ (Monica B.), dem mit Geistesgegenwart Diskreten, ja, da kann einem die Wahl nicht wehtun. Und für Frau Henriette hätte es da garkeine Wahl geben dürfen. So aber hat sie uns um die Möglichkeit gebracht, sie und Zdenko als den vierten Fall einer hochdiskreten Liebes-Konserve unserer Sammlung anzufügen. Wirklich eine ,Schneegans‘. Monica hat recht.
    Es war also die vergehende Zeit, im Grunde, was ihm weh tat, sonst nichts, Schmerzen wie bei einem Verbandwechsel. Sie zog durch ihn, die Zeit, sie wurde hindurchgezogen, und dann schwindelte ihm leicht, und die Hitze glänzte dunkel. Unter ihrer gleichsam deckenden Schicht – sie war wie tiefes aber klares Wasser – konnte Zdenko unten am Grunde jetzt, unleugbar zu erkennen, jene Tage liegen sehen, als es noch lange keinen M.C. gegeben und die beiden Engländer noch keine Änderung und Verlängerung des Schulweges bei ihm bewirkt hatten. Nun zum ersten Male wieder seit dieser Zeit konnte er wieder um die Ecke sehen, welche damals entstanden war, und in sein hinter solcher Ecke wie in eine Nische vermauertes Dasein. Damit untergriff er auch alles was heute war, gewesen war, sollte man sagen. Denn der M.C. war tot. Und dort hinter der Ecke wurde es jetzt weit lebendiger, die Nische brach auf. Jetzt erinnerte er sich ganz deutlich der Jahre noch lange vor seiner Aufnahmsprüfung in’s Gymnasium – die er hatte machen müssen, um die fünfte Volksschulklasse überspringen zu dürfen, und es war bei der Prüfung eher schlecht als recht gegangen – er wußte wieder von den häufigen, starken Schmerzen in den Fußgelenken abends im Bett, die ihn oft sogar am Einschlafen hinderten, wozu die englische Gouvernante bemerkt hatte „Du wächst eben, mein Lieber“, wohl nur um ihn zu trösten.
    Es war erstaunlich. Da stand er, den Brantôme in der Hand, den sauberen, reservierten Geruch der vielen Bücher auf den hohen Regalen in der Nase, und die Stille im Ohr, die draußen glühend über den Feldern und Wäldern lag.
    Er glaubte, sie fast greifen zu können. Sie ruhte in einem einzigen goldenen Block auf der Terrasse und brach hier herein moduliert ab, in ein verhältnismäßiges Dunkel. Wo blieb der Eifer, den sie entfaltet hatten, bei der Lektüre von des alten Staatskanzlers Schriften und Denkschriften? Wo stand die kleine hochstielige Vase mit der weißen Nelke? ,Petschens holdes Angesicht hat Quadratform, irr’ ich nicht.‘ War es unwiederbringlich? Mußte es denn wirklich unwiederbringlich sein? Ihm war das garnicht so einleuchtend und selbstverständlich. Erst an zweiter Stelle kam die neuerdings dem Brantôme entstiegene Frau Henriette. Jetzt explodierte sie, zersprang, eine Protuberanz in der Auhofstraße, jetzt überflutete die weiße Gletscherei alles in Strömen, gewaltiger und anwesender als das Gold auf der Terrasse draußen, das modulierte Dunkel hier in der Bibliothek. Sie allein

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