Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds
sicher durch starken Verkehr? All das sind Koordinationsaufgaben.
Und dann gibt es da noch die Kooperations probleme. Wie schon der Name andeutet, bergen solche Probleme die Aufgabe in sich, selbstsüchtige, misstrauische Menschen zur Zusammenarbeit zu bewegen, obwohl das strikte Eigeninteresse es eigentlich zwingend erscheinen ließe, dass kein Individuum daran teilnehmen sollte. Die Begleichung von Steuern, das Vorgehen gegen Umweltverschmutzung, ein generelles Verständnis von der angemessenen Höhe von Löhnen und Gehältern – all das sind Beispiele für gelöste Kooperationsprobleme.
Noch ein paar Erläuterungen zum Aufbau dieses Buches. Im ersten Teil geht es, auch wenn er mit praktischen Beispielen gewürzt sein wird, um Theoretisches. Jede der oben genannten drei Problemarten hat ein eigenes Kapitel; hinzu kommen Kapitel, die sich mit den Bedingungen befassen, die gegeben sein müssen, um Massen weise zu machen: Diversität, Unabhängigkeit und eine besondere Art von Dezentralisierung. Der erste Teil dieses Buches beginnt mit der Weisheit der Massen, um dann die drei Voraussetzungen zu erkunden, die sie ermöglichen, bevor wir uns im Weiteren mit Koordination und Kooperation beschäftigen.
Der zweite Teil des Buches besteht im Wesentlichen aus Fallstudien. Jedes Kapitel ist einer anderen Methode zur Ausrichtung beziehungsweise Organisation von Menschen auf ein gemeinsames Ziel (oder zumindest auf ein loses Verständnis solch gemeinsamer Ziele) gewidmet, und jedes Kapitel handelt davon, wie kollektive Intelligenz gedeiht oder scheitert. So wird beispielsweise im Kapitel über große Unternehmen der Kontrast aufgezeigt zwischen einem System, in dem nur einige wenige Personen Macht ausüben, und einem System, in dem viele mitbestimmen. Das Kapitel über Märkte beginnt mit der Frage, welche kollektive Intelligenz Märkte aufbieten können, und endet mit einem Blick auf die Dynamik eines Börsenkrachs.
Es werden in diesem Buch viele Geschichten erzählt von Gruppen, die schlechte Entscheidungen treffen, wie von Gruppen, deren Entscheidungen sich als vorteilhaft erweisen. Warum? Nun, zum einen aus dem schlichten Grund, weil dies nun einmal so ist. Die Weisheit der Massen hat auf unser tägliches Leben einen viel bedeutsameren und positiveren Einfluss, als uns bewusst ist: Daraus ergeben sich enorme Chancen für die Zukunft. Gegenwärtig fällt es vielen Gruppen jedoch schwer, auch nur mittelmäßige Entscheidungen zu treffen, während andere mit ihren schlechten Urteilen Verheerungen anrichten. Unter manchen Umständen arbeiten Gruppen besser, unter anderen weniger gut. Damit Gruppen zusammenhalten und ordentlich funktionieren, sind Regeln erforderlich; ohne eine gewisse Ordnung und ohne solche Regeln sind Ärger und Fehlleistungen die Folgen. Gruppen profitieren davon, dass ihre Mitglieder miteinander sprechen und untereinander lernen; eine übertriebene Kommunikation kann, so paradox es klingt, jedoch dazu führen, dass die kollektive Intelligenz abnimmt. Größere Gruppen können sich oft ausgezeichnet auf das Lösen gewisser Probleme verstehen, aber auch unkontrollierbar und ineffizient sein. Andererseits ist es so, dass kleinere Gruppen leicht zu führen sind, jedoch Gefahr laufen, dass in ihnen zu wenig unterschiedliches Denken und zu viel Übereinstimmung herrscht. Und Mackay hatte schließlich mit seiner Beobachtung der Extreme kollektiven Verhaltens Recht: Es gibt Zeiten – man denke an einen Aufstand oder einen Börsenkrach -, in denen das Zusammenkommen individueller Entscheidungen in völlig irrationalen kollektiven Entscheidungen resultiert. Die Beispiele derartiger Fehler sind Beweise ex negativo für die These dieses Buches; sie unterstreichen, wie ungemein wichtig Vielfalt und Unabhängigkeit in der Meinungsbildung für eine gute Entscheidungsfindung sind, da sie die Folgen aufzeigen, wenn es an ihnen mangelt.
Meinungsvielfalt und -unabhängigkeit innerhalb einer Gruppe sind deshalb wichtig, weil die besten kollektiven Entscheidungen eben nicht durch Konsens und Kompromisse zustande kommen, sondern im Wettbewerb voneinander unabhängiger Meinungen. Eine intelligente Gruppe wird – das gilt insbesondere bei anstehenden Kognitionsproblemen – ihre Mitglieder nicht auffordern, ihre Positionen zu überdenken, damit man zu einer Entscheidung gelangt, mit der jeder glücklich sein kann. Sie wird vielmehr überlegen, auf welche Weise sich Mechanismen wie Marktpreise oder intelligente
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