Die Weisheit des Feuers
wenden. Wie ein Clan-Oberhaupt den Fels schlägt, ist seine Sache, aber das heißt nicht, dass ich deine Sorgen nicht verstehe.« Für einen Moment senkte er den Blick. »Wenn ich nicht König werden kann, dann sei versichert, dass ich mich vom Hunger nach Macht nicht blenden lasse. Ich werde es erkennen, wenn mein Ansinnen gescheitert ist. Sollte das eintreten - was ich nicht glaube -, dann werde ich meine Unterstützung einem anderen Kandidaten gewähren, denn ich bin genauso wenig daran interessiert wie du, dass ein Grimstnzborith gewählt wird, der den Varden feindlich gesinnt ist. Und wenn ich die Macht und das Ansehen meines Clans in die Waagschale werfe, um einem anderen Grimstborith zum Thron zu verhelfen, schließt das das Gewicht deiner Person mit ein, denn du gehörst zum Ingietum. Du hättest deinen Willen und wir alle hätten das Gesicht gewahrt. Vertraust du mir, Eragon? Akzeptierst du mich als deinen Grimstborith, so wie es auch der Rest des Clans tut?«
Seufzend lehnte Eragon den Kopf gegen den rauen Baum und blickte zu den krummen, in Nebel gehüllten Ästen auf.
Vertrauen.
Von allem, um das Orik ihn hätte bitten können, konnte er ihm das am schwersten zusagen. Er mochte den Zwerg, sehr sogar. Aber sich dessen Autorität zu unterwerfen, wo so viel auf dem Spiel stand, würde bedeuten, noch mehr von seiner Freiheit aufzugeben. Das gefiel ihm ganz und gar nicht. Und mit seiner Freiheit würde er auch einen Teil seiner Verantwortung für das Schicksal Alagaësias aufgeben. Eragon kam sich vor, als hinge er über einem Abgrund, und Orik versuchte, ihn davon zu überzeugen, dass wenige Fuß unter ihm ein Fangnetz wäre, aber er - Eragon - konnte sich nicht überwinden loszulassen, weil er fürchtete, ins Verderben zu stürzen.
»Ich werde dir kein willfähriger Diener sein, den du nach Belieben herumkommandieren kannst«, sagte er. »Wenn es um Dinge geht, die unseren Clan betreffen, werde ich mich dir unterordnen, aber bei allen anderen Angelegenheiten hast du mir nichts zu sagen.«
Orik nickte mit ernster Miene. »Was mir Sorge bereitet, ist nicht die Mission, auf die dich Nasuada geschickt hat, oder wen du im Kampf gegen das Imperium alles töten wirst. Nein, was mich in der Nacht wachhält, wenn ich eigentlich so tief und fest schlafen sollte wie ein Arghen in seiner Höhle, ist der Gedanke, du könntest versuchen, beim Clan-Treffen die Wahl des neuen Zwergenkönigs zu beeinflussen. Deine Absichten sind ehrenwert, das weiß ich, aber ob ehrenwert oder nicht, du kennst dich in unserer Politik nicht aus, ganz gleich, wie gut Nasuada dich instruiert haben mag. Auf diesem Gebiet bin ich der Fachmann, Eragon. Lass mich so agieren, wie ich es für richtig halte. Darauf hat Hrothgar mich mein Leben lang vorbereitet.«
Eragon seufzte, und mit dem Gefühl, nun doch loszulassen und zu fallen, sagte er: »Na schön. Ich werde tun, was du in dieser Angelegenheit für das Beste hältst, Grimstborith Orik.«
Ein breites Lächeln erschien auf den Zügen des Zwerges. Er verstärkte den Griff um Eragons Unterarme, dann ließ er ihn los. »Ich danke dir, Schattentöter. Du weißt gar nicht, was mir das bedeutet. Du tust das Richtige, und ich werde es dir nicht vergessen, selbst wenn ich zweihundert Jahre alt werde und mein Bart so lang ist, dass er über den Boden schleift.«
Obwohl ihm nicht ganz wohl in seiner Haut war, lächelte Eragon. »Nun, ich hoffe nicht, dass er so lang wird. Du würdest ja ständig stolpern!«
»Kann schon sein«, erwiderte Orik lachend. »Im Übrigen würde Hvedra ihn mir stutzen, sobald er mir bis zu den Knien reicht. Sie hat eine genaue Vorstellung davon, wie lang ein Bart sein darf.«
Orik führte ihn durch den Nebel aus dem steinernen Wald und kehrte mit ihm zu den zwölf Zwergenkriegern zurück. Dann machten sie sich an den Abstieg. Unten angekommen, querten sie das Tal und gelangten auf der gegenüberliegenden Seite zu einem Tunneleingang, der so geschickt in der Felswand verborgen war, dass Eragon ihn allein niemals entdeckt hätte.
Mit einigem Bedauern tauschte er den hellen Sonnenschein und die frische Bergluft gegen die Dunkelheit des Berginnern ein. Der Gang war acht Fuß breit und sechs Fuß hoch - was für Eragons Verhältnisse ziemlich niedrig war -, und wie alle Zwergentunnel, die er kannte, verlief er schnurgerade, ohne eine einzige Biegung. Er schaute über die Schulter zurück und sah gerade noch, wie der Zwerg Farr die Granitplatte zuschob, die als Tür
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