Die Weisheit des Feuers
Todesworten etwas zu erreichen, aber er hatte es versuchen müssen, für den Fall, dass Galbatorix achtlos oder unwissend gewesen war, als er die Flugrösser und ihre Sprösslinge mit Schutzzaubern belegte.
Hinter ihm brüllte Roran: »Ahh!« Im nächsten Moment traf eine Klinge seinen Schild, gefolgt von dem Klirren zerreißender Ketten sowie einem glockenartigen Dröhnen, als ein zweites Schwert von Rorans Helm abprallte.
Eragon wurde bewusst, dass er allmählich wieder etwas hörte.
Die Ra’zac schlugen wieder und wieder zu, doch jedes Mal glitten ihre Waffen an Rorans Rüstung ab oder verfehlten sein Gesicht und die Gliedmaßen um Haaresbreite, ganz gleich wie schnell sie ihre Klingen schwangen. Roran war zu langsam, um die Schläge zu parieren, aber trotzdem konnten sie ihn nicht verletzen. Sie fauchten frustriert und stießen einen steten Strom von Schmähungen aus. Ihre abgehackten Zischlaute ließen das Ganze noch widerwärtiger klingen, als es ohnehin war.
Eragon lächelte. Der Kokon aus schützender Magie, den er um Roran gewebt hatte, erfüllte seine Aufgabe. Er hoffte, das unsichtbare Energienetz würde halten, bis er eine Möglichkeit gefunden hatte, die Lethrblaka auszuschalten.
Alles erbebte und wurde grau um Eragon, als die beiden Flugrösser gleichzeitig loskreischten. Kurz verließ ihn seine Entschlossenheit und er stand wie gelähmt da. Dann sammelte er sich wieder und schüttelte sich wie ein Hund, streifte den verderblichen Einfluss ab. Das Gekreische erinnerte ihn an das schmerzerfüllte Schreien zweier kleiner Kinder.
Dann begann Eragon, in der alten Sprache zu singen, und zwar so schnell er konnte, ohne sich zu versprechen. Jede der unzähligen Zeilen, die er herunterratterte, besaß das Potenzial, augenblicklich den Tod herbeizuführen, und jeder dieser Tode war einzigartig unter seinesgleichen. Während seines improvisierten Monologs fing Saphira sich an der linken Flanke eine weitere Schramme ein. Im Gegenzug brach sie dem Angreifer einen Flügel und zerfetzte ihm mit den Klauen die dünne Flügelhaut. Eine Reihe von heftigen Stößen übertrug sich von Rorans Rücken auf Eragon, während die Ra’zac eine blitzartige Folge von Schwerthieben führten. Der Größere der beiden kämpfte sich um Roran herum, um Eragon direkt zu attackieren.
Dann ertönte inmitten des Krachens von Stahl auf Stahl, von Stahl auf Holz und von Klauen auf Stein das Ratschen einer Klinge, die durch ein Kettenhemd schnitt, gefolgt von einem schmatzenden Knirschen. Roran schrie auf, und Eragon spürte, wie ihm Blut aufs rechte Wadenbein spritzte.
Aus dem Augenwinkel sah Eragon, wie einer der buckligen Finsterlinge mit gestrecktem Schwert auf ihn zugesprungen kam, um ihn damit aufzuspießen. Die Welt schien sich um die schmale Klingenspitze zusammenzuziehen; sie glitzerte wie ein Kristall, jeder Kratzer ein Quecksilberfaden im Licht des anbrechenden Tages.
Eragon blieb nur noch Zeit für einen einzigen Zauber, bevor er den Ra’zac daran hindern musste, ihm die blattförmige Klinge in den Leib zu rammen. Verzweifelt brach er den Kampf gegen die Lethrblaka ab und rief stattdessen schnell:
»Garjzla letta!«
Es war ein grober, hastig formulierter Zauber, doch er funktionierte. Die Glupschaugen des Flugrosses mit dem gebrochenen Flügel verwandelten sich in zwei halbkugelförmige Spiegel, als Eragons Magie das Licht zurückwarf, das normalerweise in die Pupillen des Lethrblaka eingeströmt wäre. Plötzlich erblindet, geriet das Ungetüm ins Taumeln, während es ziellos auf die Luft eindrosch, in dem vergeblichen Versuch, Saphira zu treffen.
Mit dem Rotdornstab wehrte Eragon das Schwert des heranspringenden Ra’zac ab, als die Klingenspitze nur noch einen Fingerbreit von seinen Rippen entfernt war. Der Ra’zac landete vor ihm und reckte den Hals vor. Eragon sprang zurück, als unter der Kapuze seines Gegners ein kurzer, dicker Schnabel herausschoss. Dicht vor seinem rechten Auge schnappte der aus Chitin bestehende Fortsatz zu. Nebenbei registrierte Eragon, dass die Zunge des Ra’zac pelzig und purpurfarben war und sich krümmte wie eine kopflose Schlange.
Beide Hände um die Mitte des Stabes gelegt, rammte Eragon dem Ra’zac ein Ende in die Brust und stieß das Scheusal mehrere Schritte zurück. Es fiel auf Hände und Knie. Eragon drehte sich vor Roran, dessen linke Seite blutüberströmt war, und parierte den heransausenden Schwertstreich des anderen Ra’zac. Dann sprang er in einer flüssigen
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