Die Weisheit des Feuers
gewesen sein konnten -, und sie mehr als hundert Fuß im Helgrind abgestiegen waren, blieb Eragon auf einem ebenen Wegabschnitt stehen. Er übertrug Roran seine Gedanken:
Katrinas Zelle liegt ungefähr fünfzig Schritte rechts von uns
.
Wir dürfen sie erst befreien, wenn die Ra’zac tot oder verschwunden sind. Das Risiko ist sonst zu hoch.
Was, wenn sie sich erst zeigen, wenn wir Katrina befreien? Aus irgendeinem Grund kann ich die Kerle nicht spüren. Hier drinnen könnten sie sich bis in alle Ewigkeit vor mir verbergen. Warten wir also wer weiß wie lange oder retten wir Katrina, solange wir die Gelegenheit dazu haben? Ich kann sie mit einigen Zaubern belegen, die sie vor den meisten Angriffen schützen.
Roran überlegte einen Augenblick.
Na gut, holen wir sie raus.
Sie gingen weiter, tasteten sich durch den niedrigen Gang mit dem rauen, unbehauenen Boden. Eragon musste höllisch aufpassen, um nicht zu stolpern. Daher wären ihm beinahe das Kleiderrascheln und das leise Zischeln entgangen, das von rechts an sein Ohr drang.
Er drückte sich an die Wand, schob Roran zurück. Im selben Moment rauschte etwas Spitzes haarscharf an seinem Gesicht vorbei und ritzte ihm eine Scharte in die rechte Wange. Der Kratzer brannte wie Säure.
»Kveykva!«,
rief Eragon.
Rotes Licht erstrahlte hell wie die Mittagssonne. Es hatte keine Quelle und beleuchtete alles gleichmäßig ohne Schatten, sodass die Dinge seltsam flach erschienen. Die plötzliche Helligkeit blendete Eragon, aber mehr noch blendete sie den Ra’zac vor ihm. Das Wesen ließ den Bogen fallen, schlug die Hände vor seine hässliche Insektenfratze und stieß ein hohes, schrilles Kreischen aus. Ein zweites Kreischen verriet Eragon, dass der andere Ra’zac hinter ihnen stand.
Roran!
Eragon fuhr herum und sah Roran mit erhobenem Hammer auf den Ra’zac zustürmen. Das orientierungslose Ungeheuer taumelte zurück, war aber zu langsam. Der Hammer sauste herab. »Das ist für meinen Vater!«, brüllte Roran. Er schlug erneut zu. »Das ist für unser Zuhause!« Der Ra’zac war schon tot, aber Roran hob abermals den Hammer. »Und das ist für Carvahall!« Sein letzter Schlag zertrümmerte den Panzer des Ra’zac wie die Schale eines eingetrockneten Kürbisses. Im grellen rubinroten Lichtschein schimmerte die sich ausbreitende Blutlache purpurfarben.
In Erwartung eines heranfliegenden Pfeils oder Schwertes packte Eragon seinen Stab und fuhr zu dem verbliebenen Ra’zac herum. Der Tunnel war leer. Er fluchte.
Eragon trat zu der verrenkten Gestalt am Boden. Er hob den Stab und ließ ihn auf den Brustkorb des toten Ra’zac krachen.
»Darauf habe ich lange gewartet«, sagte Eragon.
»Genau wie ich.«
Er und Roran sahen sich an. »Aahh!«, schrie Eragon und fasste sich an die immer stärker brennende Wange.
»Es wirft Blasen!«, rief Roran. »Tu etwas!«
Der Ra’zac muss die Pfeilspitze in Seithr-Öl getaucht haben,
überlegte Eragon. Er entsann sich seiner Ausbildung und reinigte die Wunde und das umliegende Gewebe mit einer Beschwörung. Danach heilte er die Wunde. Er machte den Mund ein paarmal auf und zu, um zu prüfen, ob seine Gesichtsmuskeln funktionierten.
»Stell dir mal vor, wie es ohne magische Kräfte um uns stehen würde«, sagte er grimmig lächelnd.
»Ohne Magie müssten wir uns wegen Galbatorix keine Sorgen machen.«
Unterhalten könnt ihr euch später,
schaltete Saphira sich ein.
Sobald diese Fischer Dras-Leona erreichen, könnte der König von einem der Magier in der Stadt von unserer Anwesenheit erfahren. Und wir wollen doch nicht, dass Galbatorix den Helgrind mit der Traumsicht ins Visier nimmt, solange wir noch hier sind.
Ja, ja,
sagte Eragon. Er ließ das allgegenwärtige grellrote Glühen verlöschen und schuf mit den Worten
»Brisingr raudhr«
ein Werlicht, ganz so wie am Vorabend, nur dass die Lichtkugel diesmal unter der Decke hängen blieb, statt Eragons Bewegungen zu folgen.
Nachdem er den Tunnel nun genauer in Augenschein nehmen konnte, erkannte Eragon in dem steinernen Gang zu beiden Seiten rund zwanzig eisenbeschlagene Türen. Er deutete nach vorne. »Die Neunte auf der rechten Seite. Geh du Katrina holen. Ich überprüfe die anderen Zellen. Vielleicht haben die Ra’zac darin etwas Interessantes zurückgelassen.«
Roran nickte. Er hockte sich neben die Leiche zu seinen Füßen und durchsuchte sie nach einem Schlüsselbund, fand aber keinen. Er zuckte mit den Schultern. »Dann mache ich es eben auf die
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