Die Weisheit des friedvollen Kriegers
trotzdem hätten seine Worte längst nicht den starken Eindruck auf mich und meine Leser gemacht wie die unmittelbare Erfahrung.
Poesie ist eindringlicher als Prosa, weil sie sich der Sprache des Unbewussten bedient und ihre Saat durch die Verwendung von Metaphern, Archetypen und Symbolen unter der Oberfläche des Denkens einbringt. Vergleichbar stellt die lebhafte Bildsprache der visionären Reisen eine Art fliegenden Teppich dar, mit dessen Hilfe wir die Tiefe des Raums unserer Psyche besuchen können.
Paradoxes, Humor und Veränderung
Er holte eine Visitenkarte hervor. Sie sah ganz normal aus, das einzig Besondere war ein schwaches Leuchten. In geprägten Lettern stand dort:
Krieger AG
Geschäftsführer: Socrates
Spezialisiert auf:
Humor, Paradoxes
und Veränderung
Paradoxes, Humor und Veränderung – das dreifach ewige Wahre, auf dem Socrates’ Botschaften und Lehren beruhten. Diese drei Wörter fassen den Zustand der Welt, des Lebens und des Universums zusammen. Die Geschäftsregeln, die geistigen Gesetze, auf die sich Socrates immer wieder gern bezog, entstammen alle dieser Dreieinigkeit.
Im Film fasst Dan diese Dreieinigkeit während einer Bergwanderung nach seinem Verständnis zusammen. Aber Socrates würde uns natürlich sofort daran erinnern, dass wahres Verständnis im Tun liegt.
Das Paradoxe zeugt von der kosmischen Tatsache, dass wir in einer Welt voller augenscheinlicher Dualitäten (Licht und Dunkel, Gut und Böse) leben und dass beide Aspekte simultan existieren. Der berühmte erste Satz von Charles Dickens’ A Tale of Two Cities lautet: »Es war die beste aller Zeiten und die schlimmste; es war eine Zeit der Weisheit und eine der Narretei…«
Selbst in unserer Psyche existieren polarisierte Charaktere: der Puritaner und der Hedonist, der Gläubige und der Zweifler, der Gesellschaftslöwe und der einsame Wolf. Auf diese Dualitäten des Lebens und der Psyche weisen Paradoxa hin – und auf das Geheimnis unserer Existenz.
Im Alltag stoßen wir auf eine ganze Reiher paradoxer Wahrheiten: Wir sind voneinander getrennt, aber dennoch eins; Zufälle geschehen, doch es gibt gar keinen Zufall; der Tod ist real, und trotzdem ist er eine Illusion. Je nach Sichtweise – konventionell oder transzendental betrachtet – haben beide Perspektiven ihre Gültigkeit.
Und noch mehr Paradoxes: Wir suchen nach Sinn und Bedeutung und finden heraus, dass das Leben ein Mysterium ist. Wir geben uns alle Mühe, in der Gegenwart
zu leben, dabei gibt es die eigentlich gar nicht. (Denn während ich das Wort jetzt ausspreche, kommen und gehen zwischen dem J und dem t tausend Momente.) Wir können den Augenblick nicht beim Schopf packen, den Tag nicht pflücken, können uns nur dem Fluss der Zeit hingeben. Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart gibt es nicht – es gibt überhaupt keine Zeit. Wenn ich von »in der Gegenwart bleiben« spreche, meine ich damit die Konzentration auf das, was unmittelbar vor unseren Augen liegt, und sich weder mit Erinnerungen noch mit fantasierten Zukunftsaussichten aufzuhalten. (Sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft sind hübsche Aufenthaltsorte – aber leben, leben wollen wir dort doch nicht.)
Der Begriff friedvoller Krieger ist selbst ein Paradox – wie kann man beides zugleich sein? Wenn wir diese scheinbaren Gegensätze aber vereinen, bilden sie ein Ganzes, das größer ist als die Summe seiner Teile: Liebe und Mut – ein friedvolles Herz und ein kriegerischer Geist.
Wenn Socrates von Humor sprach, meinte er damit viel mehr als Brüllwitze. Der Humor, den er im Sinn hatte, ist der göttliche Humor, der sich aus einer transzendentalen Perspektive ergibt – das Leben oder auch den Tod, das eigene Selbst und die Welt nicht ganz so ernst nehmen. Mit unseren zwei Augen betrachtet, sieht das Leben manchmal ganz schön ernst aus. Mit den Augen Gottes (oder Socrates’) gesehen, betrachtet aus der unermesslichen Leere des Raums mit seinen Milliarden herumwirbelnder Galaxien werden unsere Problemchen mit tropfenden Wasserhähnen oder Beziehungskisten in die richtige Perspektive gerückt und der Humor wird wiederhergestellt.
Veränderung ist, wie bereits gesagt, eines der Gesetze, denen die Wirklichkeit unterliegt. Der griechische Philosoph und Staatsmann Marc Aurel sagte einmal: »Das Leben ist ein Fluss vorüberziehender Ereignisse; sobald eines in den Blick kommt, ist es auch schon wieder vorübergeschwommen und ein anderes an seine Stelle getreten, und auch das wiederum
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