Die Weisheit des friedvollen Kriegers
allein hat Hunderttausende mit dieser uralten Praxis bekannt gemacht. Viele üben sich auch im zazen, dem »reinen Sitzen«. Die positiven Effekte der Meditation werden zunehmend sogar von wissenschaftlicher Seite anerkannt.
Manche Suchende stellen die nützliche Praxis der Meditation aber auf einen Sockel, verherrlichen sie als Schlüssel zur Erleuchtung. Ziemliche Missverständnisse herrschen zudem in Bezug auf Methode und zu erwartende Ergebnisse.
Socrates hatte ein breites Spektrum verschiedener Praktiken erlernt und fand heraus, dass es keinen Ansatz
gibt, der sich für alle gleichermaßen gut eignet; für jeden Einzelnen gilt es herauszufinden, was in seiner speziellen Lebensphase gerade richtig für ihn ist.
Bei allem, was Übungssache ist (auch Liegestütze und Geigenspiel), werden wir mit der Zeit besser. Doch die Fortschritte der nach innen gerichteten Kunst der Meditation lassen sich schwer messen. Wenn wir dasitzen und die Augen schließen, kann es leicht geschehen, dass wir uns Tagträumen hingeben. Nun bin ich ein großer Fan von Tagträumen. Aber ich verwechsele sie nicht mit einer Meditationsübung, bei der es darum geht, alles, was ins Bewusstsein dringt, loszulassen – am Ufer zu sitzen und den Fluss zu beobachten, statt sich von den Fluten mitreißen zu lassen.
Zur Erleuchtung führt eine derartige Meditationspraxis nicht unbedingt; eher ist sie eine Übung der Erleuchtung: Wenn wir mit geradem Rücken dasitzen – uns weder in die Zukunft vorbeugen noch in die Vergangenheit zurücklehnen –, den Körper entspannen, auf den natürlichen Atemfluss achten, während Gedanken, Gefühle und Empfindungen hochkommen, nehmen wir die Haltung und Einstellung eines Zeugen ein – reines, losgelöstes, transzendentes Bewusstsein, das alles beobachtet und alles zulässt, das sich an nichts klammert, bis wir schließlich realisieren, dass wir dieses Bewusstsein jenseits von Körper, Geist und Identität sind.
Der Prozess selbst – eine Auszeit von der vorbeiziehenden Welt – ist Lohn genug. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit unangestrengt auf den Atem richten oder auf ein Mantra, einen inneren Ton oder ein inneres Bild, scheint sich das Denken zu beruhigen und die Zeit vergeht schnell, wenn unsere Aufmerksamkeit in einem zeitlosen Raum der Versunkenheit zur Ruhe
kommt, den man in manchen Traditionen samadhi nennt und in anderen satori.
Wenn wir die Augen dann wieder öffnen und unser Alltagsleben weiterführen, tauchen weiterhin Gedanken auf. Bei der Meditation geht es nicht darum, Gedanken loszuwerden, sondern darum, Frieden mit ihnen zu schließen und ihre Substanzlosigkeit zu erfassen. Wenn wir das Wesen unseres Denkens einmal erkannt haben, ist die Übung nicht länger nötig, dann ist sie bloß noch eine angenehme Pause von den Geschäften der Welt – eine innere Rückzugsmöglichkeit, eine Art Sabbat, Ruhe und Erfrischung.
Die Welt ist viel interessanter als die Gedanken, die wir uns über sie machen. Innenschau bringt etwas, die Sicht auf die Außenwelt aber auch. Der Pfad des friedvollen Kriegers beinhaltet, beides mit voller Aufmerksamkeit zu tun, sodass auch die Welt um uns herum zum Gegenstand der Meditation wird.
Der spirituelle Fortschritt
Nachdem der große Schlitten davongerauscht war, konnte ich mich nicht mehr halten. »Socrates, du warst so höflich zu diesen Leuten. Aber die blaugewandeten Sucher, die doch eindeutig auf einer höheren Stufe der menschlichen Entwicklung stehen, hast du behandelt wie den letzten Dreck. Warum?«
Und endlich einmal bekam ich eine einfache, klare Antwort: »Die einzige Entwicklungsstufe, die dich interessieren sollte, ist meine – und deine eigene!«, sagte er grinsend. »Diese armen Leutchen brauchten ein wenig Freundlichkeit. Die spirituellen Sucher dagegen, die brauchten etwas zum Nachdenken.«
Socrates verfügte über die Fähigkeit, die Menschen zu unterscheiden und jedem das zu geben, was er am meisten brauchte – und das war keineswegs immer das, was sie wollten. Manche brauchen zu einem bestimmten Zeitpunkt einfach nur Freundlichkeit, Respekt und Höflichkeit. Andere, und zu denen gehöre auch ich, benötigen gelegentlich eine etwas härtere Gangart der Liebe.
Die äußeren Erscheinungsformen und das ganze Drumherum der Spiritualität sind im Grunde nicht viel mehr als modische Bekenntnisse. Egal, was wir anziehen oder wo wir wohnen, letztlich ist und bleibt unser Verhalten der verlässlichste Indikator unserer spirituellen Reife. Auch wenn
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