Die Weisheit des friedvollen Kriegers
wir über die Verästelungen des Bewusstseins, über esoterische Denk- oder Arbeitsweisen Bescheid wissen, die eigentlich Frage ist doch: Sind wir in der Lage, Freundlichkeit und Mitgefühl an den Tag zu legen, auch wenn wir uns gar nicht danach fühlen? Handeln wir konstruktiv, positiv und funktional? Herrscht Balance in unserem Leben? – und dazu gehören auch hinreichend Bewegung, ausgewogene Kost und genügend Ruhe. Gehen wir auch alles, was wir tun (sei es Kindererziehung, Berufstätigkeit, Spiel oder Gartenarbeit), auf qualitativ hohem Niveau an und sehen darin einen Weg, dienstbar zu werden und zu wachsen?
Unsere Geschichte besteht aus dem, wie wir leben und was wir tun, von Moment zu Moment. Das war schon immer so. Deshalb konnte Mahatma Gandhi auch sagen: »Meine Lehre ist das Leben, das ich führe.« Dasselbe galt für Socrates, und ich hoffe, für mich auch.
Landkarten und Glühbirnen
»Was du brauchst, um auf dem richtigen Weg zu bleiben, ist eine besondere Landkarte – eine Karte, die das ganze Gebiet umfasst, das du erforschen willst. Erst dann wirst du den Wert und die Grenzen der Meditation erkennen. Und ich frage dich, wo bekommt man eine gute Landkarte?«
Socrates hatte mehr Metaphern im Angebot als Motorölmarken. Einiges von dem, was er mir mit auf den Weg gab und was ich meinen Lesern auch seit fünfundzwanzig Jahren anbiete, sind Landkarten für das Gebiet des Alltagslebens.
Wenn wir unser Leben mit einer Bergtour vergleichen, kann man sagen, dass viele verschiedene Routen zum Gipfel führen; jeder wählt seine eigene und bestimmt auch sein persönliches Tempo. Und diejenigen von uns, die sich schon früher auf den Weg gemacht haben, manchmal auch gestolpert sind und sich wieder aufrappelten, können dabei nützliche Hinweise geben – eine detaillierte Karte des Gebirges.
Eine solche hat mir Socrates angeboten, und auch ich habe eine parat. Damit stehe ich keineswegs allein. Jeder kann von unseren Erfahrungen profitieren. In den Kampfkünsten sagt man ja auch gern: »Lerne ein Tagespensum, lehre ein Tagespensum.« Mitunter sind die Meister auf dem Gipfel nicht so nützlich wie Menschen, die uns noch so nahe sind, dass sie sich zu uns umblicken und uns eine helfende Hand reichen oder ein freundliches Wort schenken können. Und wir können dasselbe für die tun, die nach uns kommen.
Der visionäre Pfad des mystischen Erlebnisses
Im nächsten Moment hatte ich das Gefühl, als schwebte ich irgendwo draußen im Weltraum, ich dehnte mich aus mit Lichtgeschwindigkeit, blähte mich, explodierte bis an die äußersten Grenzen des Seins, bis ich das ganze Universum war. Da gab es nichts von mir Getrenntes. Ich war Alles. Ich war Bewusstsein, das sich selbst erkennt; ich war das reine Licht, das die Naturwissenschaft aller Materie zuschreibt und das die Dichter als Liebe besingen. Ich war Eins, und ich war Alles. (…)
Blitzartig war ich dann wieder zurück in meiner sterblichen Hülle, und jetzt schwebte ich zwischen den Sternen. Ich schaute ein gläsernes Prisma, geformt wie ein menschliches Herz, und es war so groß, dass die Galaxien daneben verschwanden. Reines Licht der Bewusstheit strahlte es aus, in einem berstenden Regen leuchtender Farben, funkelnde Splitter in allen Tönen des Regenbogens über den ganzen Kosmos verstreuend. Mein Körper selbst wurde zum leuchtenden Prisma, das Strahlen in allen Farben, nach allen Richtungen aussandte. Und ich begriff, dass es der höchste Zweck des menschlichen Körpers sei, selbst ein reines Behältnis für dieses Licht zu werden.
(…)
Und ich erfuhr die Bedeutung von Aufmerksamkeit. Es ist die willentliche Bündelung von Bewusst-Sein. (…) Zuletzt wurde mir das Wesen wahrer Meditation zuteil. Sie besteht darin, die Wachheit, das Bewusst-Sein zu erweitern und die Aufmerksamkeit zu zentrieren, um sich am Ende dem Licht der Bewusstheit hinzugeben.
(…)
»Siehst du«, sagte er in beiläufigem Ton, »solche kleine Reisen ersparen mir komplizierte Erklärungen, die ich dir geben müsste, um dich zu ›erleuchten‹.«
Das war auch eine dieser inneren Reisen, die Socrates, wie er sagte, »komplizierte Erklärungen« ersparten. Mit dem Schreiben über diese inneren Reisen verfolgte ich denselben Zweck.
Nehmen wir an, Socrates hätte mir einen Stuhl hingestellt und mir eine Vorlesung über das Wesen von Bewusstsein, Wachheit und Aufmerksamkeit gehalten. Bestimmt hätte er sich präzise, deutlich, vielleicht sogar packend ausgedrückt. Und
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