Die weiße Bestie: Thriller (German Edition)
amerikanische Riese daher die Möglichkeit hatte, große Risiken einzugehen. ExxonMobil war die größte private Ölgesellschaft der Welt, während Dana Oil in der internationalen Szene zu der Kategorie » kleine und mittelgroße Unternehmen « zählte. Wenn die Amerikaner im Tschad kein Öl fanden, fanden sie es an einem anderen Ort, und außerdem lag genug Geld in dem texanischen Geldschrank, um das Unternehmen dennoch am Laufen zu halten. So war es jedoch nicht für Dana Oil– stimmten die Leute ihm dahingehend nicht zu?
Das taten sie vielleicht schon, aber John Hansen spürte dennoch ihren Hohn und ihre herablassenden Blicke.
Am schlimmsten war es natürlich mit der großen Chanc e gewesen. John Hansen spürte allein bei dem Gedanken daran die Magensäure aufsteigen.
Als er 1974 bei Dana Oil angefangen hatte, war das Unternehmen eine kleine Gesellschaft mit einer überschaubaren Erdölgewinnung, unter anderem in der Nordsee, gewesen. Damals war es nicht prestigeträchtig gewesen, in der Ölbranche zu arbeiten, aber nachdem die westliche Welt immer mehr vom Öl abhängig wurde, war es ein angesehener Posten geworden. Das Öl war es, was die Räder der Gesellschaft dazu bringen sollte, rundzulaufen, und auf dem das explosive Wachstum des Westens aufbaute.
Dana Oil entwickelte sich in den nächsten Jahrzehnten zu einem, in dänischer Hinsicht, großen Unternehmen und in der internationalen Szene zu einer mittelgroßen Gesellschaft. Das Unternehmen förderte täglich über eine halbe Million Tonnen Öl, zudem Gas, welches man auch aus dem Untergrund heraufholte und weiterverkaufte. Der jährliche Umsatz rutschte selten unter zwanzig Milliarden Kronen.
Mit anderen Worten, es gab alle Chancen, eine große Karriere zu machen, und aus diesem Grund war John Hansen bei Dana Oil geblieben, auch wenn er zwischendurch andere Angebote bekommen hatte. Er war überzeugt davon, die Fähigkeiten zu haben, bis ganz an die Spitze zu gelangen. Keiner im Ingenieurstudium hatte so präzise Einschätzungen der Reservoirgesteine vornehmen können wie er, und keiner im Unternehmen kannte sich so gut mit Bohrungen aus wie er. Es war nur fair, dass der tüchtigste Mann an der obersten Stelle saß– und John Hansen konnte nicht erkennen, wer tüchtiger war als er.
Also hatte er sich darauf vorbereitet, einen Platz an dem großen Mahagonitisch zu bekommen. Neben der Zeit im Tschad war er auch noch ein paar Jahre in Angola, dem von Krieg beherrschten westafrikanischen Land, gewesen. Elend und abgeschlagene Arme hatten zwei Jahre lang sein Leben bestimmt, und er hatte jeden einzelnen Tag gehasst, aber trotzdem durchgehalten, weil er wusste, es war ein großes Plus, draußen in der Welt und ganz nah an der wirklichen Arbeit gewesen zu sein, wenn man dabei sein wollte, ein großes Unternehmen zu leiten.
2002 , zweiundfünfzig Jahre alt, war er bereit gewesen. Am Mahagonitisch war ein Platz frei geworden, als einer der Direktoren in den Ruhestand gegangen war, und es war klar, dass sich John Hansen auf den leeren Stuhl setzen sollte. Die anderen Direktoren hatten zwar nie direkt etwas gesagt, aber er konnte einfach nicht erkennen, wer die gleichen Qualifikationen wie er, geschweige denn ebenso viele Jahre Betriebszugehörigkeit vorweisen konnte. In den Wochen nach der Meldung über den Rückzug des Direktors hatte er gespannt darauf gewartet, in den Direktorenflur hinaufgerufen zu werden. Jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, hatte er sich geräuspert, bevor er den Hörer abgenommen und mit fester Stimme gesprochen hatte.
Aber der Anruf war nie gekommen.
Zwei Wochen später wurde das Memo, welches seither immer den Abstieg symbolisieren würde, im Unternehmen herumgeschickt. Das Memo war kurz und besagte lediglich, dass Birgitte Halvorsen mit sofortiger Wirkung in den Vorstand berufen würde und das Unternehmen ihr alles Gute wünsche.
An diesem Tag war John Hansen früh von der Arbeit nach Hause gegangen, und den Tag darauf hatte er seinen zweiten Krankentag in zwanzig Jahren genommen.
Birgitte Halvorsen!
Er, John Hansen, war zum Vorteil einer Frau verschmäht worden.
Die Demütigung war komplett. Wäre es nur einer dieser jungen männlichen Handelshochschul-Windbeutel gewesen, der mit seinem unendlichen Repertoire an Managementfloskeln an die Spitze geschossen war.
Wenn die Gespräche der Kollegen auf die Beförderung von Birgitte Halvorsen kamen, hatte John Hansen gemurmelt, dass das selbstverständlich nur eine Folge
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