Die Weiße Burg
annähernd!«, schrie Faiselle zur selben Zeit, in der Varilin rief: »Wie können wir uns mit Männern verbünden , die die Macht lenken können?«
»Diese so genannten Asha'man sind mit dem Makel behaftet!«, rief Saroiya und ließ jedes Anzeichen der berühmten Zurückhaltung der Weißen Ajah vermissen. Sie hatte die Stola fest umkrallt und zitterte so sehr, dass die langen weißen Fransen bebten. »Mit dem Makel des Dunklen Königs!«
»Allein dieser Vorschlag stellt alles in Frage, wofür die Weiße Burg steht«, sagte Takima grob. »Wir würden von jeder Frau verachtet, die sich Aes Sedai nennt, von Aes Sedai, die schon lange in ihren Gräbern liegen!«
Magla ging so weit, unverhohlen mit der Faust zu drohen. »So etwas kann nur eine Schattenfreundin vorschlagen! Nur eine Schattenfreundin!« Die Anschuldigung ließ Moria erblassen, dann wurde sie von Zorn ergriffen selbst knallrot im Gesicht.
Egwene wusste nicht, wie sie dazu stehen sollte. Die Schwarze Burg war Rands Schöpfung, vielleicht war sie sogar nötig, falls überhaupt Hoffnung bestehen sollte, die Letzte Schlacht zu gewinnen, aber die Asha'man waren Männer, die die Macht lenken konnten, eine Sache, vor der man sich dreitausend Jahre lang gefürchtet hatte, und sie lenkten vom Schatten beschmutztes Saidin . Rand selbst war ein Mann, der die Macht lenken konnte, doch ohne ihn würde der Schatten bei Tarmon Gai'don siegen. Das Licht mochte ihr beistehen, dass sie es so kühl sah, aber es war eine bittere Wahrheit. Wie auch immer ihre Meinung war, in diesem Augenblick gerieten die Dinge außer Kontrolle. Escaralde und Faiselle tauschten so laut sie konnten Beleidigungen aus. Offene Beleidigungen! Im Saal! Saroiya hatte die letzten Fetzen ihrer Zurückhaltung abgestreift und schrie Malind an, die zurückschrie. Es wäre ein Wunder gewesen, hätten sie verstehen können, was die andere von sich gab, und vielleicht war es ein Segen, dass sie es nicht konnten. Überraschenderweise hatten weder Romanda noch Lelaine den Mund aufgemacht. Sie saßen nur da und starrten einander an, ohne zu blinzeln. Vermutlich versuchte jede von ihnen den Standpunkt der anderen zu erahnen, damit sie die gegenteilige Position einnehmen konnte. Magla stieg von ihrer Bank und schritt auf Moria zu, in ihrem Blick lag ein Funkeln, als sei sie auf eine Schlägerei aus. Kein Wortgefecht, eine Schlägerei. Magla hatte die Fäuste an den Seiten geballt. Ihre Stola rutschte unbemerkt zu Boden.
Egwene stand auf und umarmte die Quelle. Mit Ausnahme bestimmter festgelegter Funktionen war im Saal das Machtlenken verboten - ein weiterer Brauch, der auf die dunklen Tage in der Geschichte des Saals verwies -, aber sie machte ein einfaches Gewebe aus Luft und Feuer.
»Dem Saal wurde ein Antrag vorgelegt«, sagte sie und ließ Saidar los. Das fiel nicht mehr so schwer wie früher. Es war nicht leicht, nicht einmal annähernd, aber es fiel nicht mehr so schwer. Eine Erinnerung an die Süße der Macht blieb, genug, um sie es bis zum nächsten Mal aushalten zu lassen.
Von dem Gewebe verstärkt, hallten ihre Worte wie Donnerhall durch den Pavillon. Aes Sedai zuckten zurück und hielten sich die Ohren zu. Die einsetzende Stille erschien unglaublich laut. Magla starrte sie erstaunt an, dann wurde ihr bewusst, dass sie auf dem halben Weg zu den Bänken der Blauen stand. Hastig eilte sie zurück zu ihrem Platz und hielt nur kurz inne, um die Stola vom Boden aufzuheben. Sheriam stand da und weinte offen. So laut war es doch nun sicherlich auch nicht gewesen.
»Dem Saal wurde ein Antrag vorgelegt«, wiederholte Egwene in die Stille hinein. Nach dem von der Macht verstärkten Ruf hallte ihr die eigene Stimme in den Ohren wider. Vielleicht war es doch lauter gewesen, als sie beabsichtigt hatte. Dieses Gewebe war nie für den Gebrauch in geschlossenen Räumen vorgesehen gewesen, selbst wenn es sich bei den Wänden um geflicktes Segeltuch handelte.
»Was sagt Ihr zu einer Allianz mit der Schwarzen Burg, Moria?« Sie setzte sich wieder, sobald sie zu Ende gesprochen hatte. Was dachte sie darüber? Welche Schwierigkeiten würden sich für sie ergeben? Wie konnte sie das zu ihrem Vorteil nutzen? Mochte das Licht ihr helfen, in der Tat. Das waren die ersten Dinge, die ihr einfielen. Sie wünschte, Sheriam würde die Augen trocknen und ihr Rückgrat wieder entdecken. Sie war der Amyrlin-Sitz, und sie brauchte eine Behüterin, keinen Waschlappen.
Es dauerte ein paar Minuten, ehe wieder Ordnung einkehrte,
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