Die Weiße Burg
es las. Zumindest war das anfangs ihre Befürchtung.
Es war keine Überraschung, wer am längsten sprach, das konnte man wirklich nicht behaupten. Magla und Saroiya, Takima und Faiselle und Varilin, jede von ihnen ärgerte sich sichtlich, wenn eine andere Sitzende das Wort hatte. Oh, sie akzeptierten die Entscheidung des Saals, zumindest gaben sie sich den Anschein. Ihnen blieb nichts anderes übrig, es sei denn, sie wären von ihren Sitzen zurückgetreten; aber so sehr der Saal auch willens war, nötigenfalls um den Konsens zu streiten, sobald man sich für eine Vorgehensweise entschieden hatte, egal, mit welcher Mehrheit, dann wurde von jeder erwartet, sich daran zu halten oder sie zumindest nicht zu behindern. Das war der Schwachpunkt. Was genau stellte eine Behinderung dar? Natürlich stellte sich keine der fünf gegen eine Sitzende der eigenen Ajah, aber die anderen vier sprangen auf, wenn eine Sitzende wieder ihren Platz einnahm, und alle fünf, wenn die Sitzende zu den Blauen gehörte. Und wer auch immer das Wort hatte, erklärte mit großer Überredungskunst, warum die Vorschläge der Vorgängerin völlig falsch waren und in die Katastrophe führten. Nicht dass es irgendwelche Anzeichen für heimliche Absprachen gab, soweit es Egwene beurteilen konnte. Sie betrachteten einander genauso misstrauisch wie alle anderen auch, wenn nicht sogar noch misstrauischer; offensichtlich hatten sie nicht das geringste Vertrauen, dass eine der anderen ihre Argumente ordentlich vorbrachte.
Nur wenig von dem, was vorgeschlagen wurde, kam auch nur in die Nähe allgemeiner Zustimmung. Die Sitzenden konnten sich nicht einigen, wie viele Schwestern man zur Schwarzen Burg schicken sollte und wie viele von jeder Ajah, wann man diese Schwestern schicken sollte, wobei sie verlangen sollten, was sie zustimmen durften und was sie strikt ablehnen mussten. In einer so heiklen Angelegenheit konnte jeder Fehler in einer Katastrophe münden.
Darüber hinaus betrachtete sich mit Ausnahme der Gelben jede Ajah als geradezu einzigartig dazu qualifiziert, die Führung der Mission zu übernehmen, von Kwamesas beharrlicher Meinung, dass das Ziel darin bestand, eine Art Vertrag auszuhandeln, bis zu Escaraldes Behauptung, dass historisches Wissen eine unerlässliche Voraussetzung für ein so unerhörtes, noch nie zuvor da gewesenes Unterfangen war. Berana wies sogar darauf hin, dass eine Vereinbarung dieser Natur nur auf rationale Weise zustande kommen durfte; der Umgang mit den Asha'man musste Leidenschaften entflammen, und alles außer kalter Logik würde auf der Stelle zu einer Katastrophe führen. Tatsächlich wurde sie sehr emotional, was das anging. Romanda wollte, dass die Gruppe von einer Gelben angeführt wurde, aber da es kaum den Anschein hatte, dass eine große Notwendigkeit für irgendwelches Heilen bestehen würde, konnte sie schließlich nur noch stur darauf beharren, dass jedermann vom speziellen Interesse seiner Ajah beeinflusst werden und darüber vergessen konnte, was er tat.
Sitzende derselben Ajah unterstützten einander nur so weit, dass sie einander nicht offen widersprachen, und keine zwei Ajahs waren über den Punkt hinaus, dass sie zugestimmt hatten, eine Gesandtschaft zur Schwarzen Burg zu schicken und bereit waren, miteinander zusammenzuarbeiten. Ob man es Gesandtschaft nennen sollte, blieb ungeklärt, selbst bei jenen, die am Anfang dafür gewesen waren. Moria selbst schien von der Vorstellung entsetzt zu sein.
Egwene war nicht die Einzige, die das ständige Hin und Her ermüdend fand, dass alles so kleingehackt wurde, bis nichts mehr übrig blieb und alles von vorn begonnen werden musste. Hinter den Bänken gingen die ersten Schwestern. Andere ersetzten sie und verschwanden dann wieder, um ein paar Stunden später zurückzukehren. Als Sheriam das rituelle »Geht nun ins Licht« aufsagte, war die Nacht hereingebrochen und außer Egwene und den Sitzenden - von denen einige so zusammengesunken waren, als hätte man sie wie feuchte Laken durch die Mangel gedreht - nur noch ein paar Dutzend Schwestern anwesend. Und es war nichts entschieden worden, außer dass weitere Beratungen nötig waren, bevor etwas entschieden werden konnte.
Draußen hing ein blasser Halbmond am samtschwarzen, sternengesprenkelten Firmament, und es war bitterkalt. Egwenes Atem verwandelte sich in der Dunkelheit in weißen Nebel, als sie lächelnd den Saal verließ und hörte, wie hinter ihr die Sitzenden auseinander gingen und einige noch immer
Weitere Kostenlose Bücher