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Die weiße Hexe

Titel: Die weiße Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Maria Hilliges
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vor Angst. Ob's hier Straßenräuber gab? Die vorbeirasenden Wagen - viele fuhren ohne Licht - deckten uns regelmäßig mit einer Staubwolke ein. Vater hustete, japste nach Luft, klagte abwechselnd über Durst und Hunger. Irgendwann hielt ein Wagen. Gott sei Dank -
    John. Dieses Gefährt hatte immerhin zwei Vorteile: Erstens brannte es nicht, zweitens hatte Vater einen luftigen Platz zum Mitfahren erwischt. Johns Ersatzwagen war nämlich ein Kleinlaster, und Vater saß samt Gepäck auf der Ladefläche.
    Nach kaum einem Kilometer Fahrt trafen wir zum ersten Mal auf das nigerianische Militär: Straßensperre. Die Soldaten taten uns nichts.
    Im Gegenteil: Wenn sie nicht da gestanden hätten, wäre unser Schiffbruch auf der Autobahn nicht so glimpflich verlaufen. Ihre Anwesenheit hielt die Straßenräuber fern.
    John fuhr trotz Schwiegervater und Koffern auf der Ladefläche mit atemberaubendem Tempo und testete die Stoßdämpfer an so ziemlich jedem Schlagloch. Irgendwann waren wir in einem Viertel mit gutgeteerten kleinen Straßen, auf denen lauter kaputte Autos standen. Die Scheinwerfer erfaßten einen buntgestrichenen Bungalow, vor dem die Fahrt zu Ende war. Aufatmen. John hupte.
    Es war stockfinster, als wir endlich bei Chief Bole ankamen, einem Vetter von ihm. Eine dicke Frau kam mit einer Kerosinlampe in der Hand heraus in die vollkommene Dunkelheit. Der beißende Gestank nach Fäkalien nahm mir den Atem. Daß die Kanalisation überirdisch und offen neben der Straße verlief, entdeckte ich, als ich vorsichtig über zwei Bretter ins Haus lief.
    Bole war weder Vetter noch Chief, sondern ein entfernter Verwandter Johns. Verglichen mit den übrigen vielen Vettern, die ich noch kennenlernen sollte, machte er richtig Geld. Ausgerechnet mit jenen Geräten, die das Überleben des blauen Käfers gesichert hatten - Feuerlöscher! Vetter Bole war ein kleiner, dürrer Mann in den Sechzigern, freundlich, mit wachen Augen. Sein Haus lag in einer besseren Wohngegend, verfügte aber leider nicht über eine Klimaanlage. Was allerdings nicht weiter ins Gewicht fiel, da die Stromgesellschaft NEPA den Strom ohnehin abgestellt hatte. Was auch die Ventilatoren an der Ausübung ihrer Arbeit hinderte ...
    Dauernder Versorgungsengpaß in einem der ölreichsten Länder der Erde. Ich sollte bald erfahren, wie Nigerianer NEPA übersetzten:
    „Never expectpower again“ (Erwarte niemals wieder Energie). Im vom Notstromaggregat erzeugten Licht stellte ich fest, daß wir nunmehr keine Weißen mehr waren, sondern Rote: Die Staubdusche auf der Autobahn hatte deutliche Spuren hinterlassen.
    Ein paar Jungs balancierten unsere Habseligkeiten auf den Köpfen ins Haus. Sie türmten das Gepäck im Wohnzimmer auf, das sich allmählich mit lauten, fröhlich schwatzenden Fremden füllte. Ich stupste John an: „Sind die unseretwegen da?“
    John druckste herum: „Ihr habt doch die Geschenke mitgebracht?“
    Der Flohmarktnippes und die teuren Stoffe ... Mir kam die vage Überlegung, ob Taxi und Hotel angesichts des durchlittenen Martyriums nicht billiger gewesen wären, als die Gastfreundschaft des Chiefs auf diese Weise zu entlohnen.
    Chief Bole war ein zuvorkommender Mann, doch mit Knödeln und Schweinshaxe konnte er nicht dienen. Seine Frau, die gut und gerne den doppelten Körperumfang Boles hatte, servierte Reis, gar ri und rote Bitterleaf-Soup. Vater häufte sich einen dicken Schlag Reis auf, verzichtete auf die Breipampe namens garri und griff zum Schöpflöffel, um sich rote Fleischsauce draufzutun. Er brauchte nur den Dampf der Sauce einzuatmen, um einen Hustenanfall zu bekommen. Kein Wunder, zu Hause meckerte er schon, wenn ich mal Curry ins Essen tat, und Curry ist nichts gegen die nigerianische rote Cayenne-Pfeffer-Sauce. Behutsam schob Papa das nicht angerührte Essen von sich.
    Gastgeber Bole verfolgte jede Bewegung des großen weißen Mannes mit wieselflinken Augen und schickte seine Frau nach draußen. Kurz darauf kam sie wieder — mit Trockenfischsuppe. Du meine Güte! Mein Vater hatte nicht mal was für Fische im Zierteich übrig, von eßbaren ganz zu schweigen. Er schaffte es nicht mal, den Anstands-Probierhappen runterzuwürgen. Schließlich flüsterte er mir zu, ob man denn nicht vielleicht in ein Restaurant... ?
    Dann fiel Vaters Blick auf die auf dem Tisch stehende Wasserkaraffe. „Ilona, ist das Wasser abgekocht?“
    Ich leitete die Frage, ins Englische übersetzt, freundlich lächelnd an Chief Bole weiter, was den trotzdem nicht

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