Die weiße Hexe
Zollbeamten sprechen könnten? Sie sah auf. Ihr Blick wanderte von John zu Vater, zu mir, zurück zu John, dann wieder auf ihre Nägel.
Schließlich sagte sie: „Master here tomorrow.“
„Was sagt sie?“ fragte Vater.
„Ihr Chef ist morgen da.“ „Frag sie, wann.“
Ich übersetzte. Die Dame blickte mich lange an. Überlegte.
Antwortete.
„Was sagt sie?“ • „Am Nachmittag.“
„Der Nachmittag ist lang. Wann, Ilona?“
Sie blickte mich wieder an, dann meinen Vater, dann fragte sie mit einem Blick zur Decke den Ventilator um Rat, erwiderte schließlich:
„Four ...“
Okay, sagte Vater tapfer, wir sind morgen um vier wieder hier. Am nächsten Tag um vier das gleiche Spiel. Diesmal störten wir bei der Zeitungslektüre.
„Master here tomorrow.“
„Frag sie, wann, morgen ist lang.“
Am nächsten Tag standen wir um neun Uhr morgens vor der Dame.
„Master here tomorrow. „ Mein Vater hatte mich vorher gewarnt, daß er ihr den schönen schwarzen Hals umdrehen würde, wenn sie wieder mit „tomorrow“ anfangen würde. Ich kam ihm zuvor, holte zwei Fünfzig-Naira-Scheine aus der Handtasche, legte sie sorgfältig vor ihr auf den Tresen.
Unglaubliches geschah: Sie stand auf und verließ den Raum, ihr mit viel buntem Stoff drapierter Hintern wackelte beeindruckend. John glotzte ihr nach. Ich hatte das Gefühl, er war nur mitgekommen, um dieser Demonstration weiblicher Bewegungsfähigkeit beizuwohnen.
Und siehe da - der „Master“ erschien. Ich glaube, wenn ich nicht auf die Idee mit dem Geld gekommen wäre, hätten wir noch wochenlang dorthin fahren können, um „Master here tomorrow“ zu hören.
Der Master dagegen hielt sich nicht lange mit Vorreden auf. 1 500
Naira sollte jedes Auto an Zollgebühren kosten. „Andyou needfor
each car a differentpassport.“
„Was sagt er?“
Ich sah mich nach einer Sitzgelegenheit um, damit Vater sich anschließend von dem Schock erholen konnte. Kein Stuhl da. Also:
„Wir müssen für jedes Auto, das wir einführen, einen anderen Reisepaß vorlegen.“
„Ilona, gib mir einen Stuhl, mir wird schwindlig.“
Ich erinnerte mich an die hundert Naira für die träge Sekretärin und versuchte mein Glück: Ob er die Autos gesehen habe? Master Tomorrow war nicht von gestern. Er grinste sehr freundlich. Wenn wir auf den Mercedes verzichten könnten ... Wir gingen raus, immerhin war die Luft draußen etwas besser. Wenigstens überlagerte ein bißchen Meerluft den Ölgeruch. Wenn man schon
„Urlaub“ in Afrika macht ...
Langsam zeigten die Unbekannten in unserer Auto-Rechnung also ihre Gesichter. Ich erklärte meinem Vater, daß wir uns von einem der beiden Mercedes trennen müßten, um die Wagen überhaupt aus dem Zoll rauszubekommen. Papa wollte die Autos sehen. Wir kehrten zurück zu Master Tomorrow, der uns freundlicherweise zu den abgestellten Wagen begleitete. Wir liefen quer durch den Hafen, als uns eine große Anzahl von Schwarzen begegnete, die von oben bis unten weiß waren, als wären sie gepudert.
„Was haben die gemacht?“ fragte ich John.
„Schiffe entladen.“
„Was ist das für ein weißes Zeugs?“
„Ich glaube, das ist Düngemittel.“
„Was denn, ohne Schutzkleidung und Atemschutz? Die Männer tragen nur Shorts. Ist das Düngemittelzeug nicht gefährlich?“ John zuckte die Schultern. „Und was bekommen sie dafür?“
„Etwa zwanzig Naira in der Woche.“
Solche Ungerechtigkeiten machen mich wütend. Ich dumme Ziege hatte hundert Naira ausgegeben, nur damit eine Sekretärin ihren Chef rief. Dafür mußten diese Männer sich unter Einsatz ihrer Gesundheit fünf Wochen lang abplagen! Ob die faule Sekretärin wenigstens mit einem der armen Kerle die Hütte teilte? Dann wären meine 200 Mark fürs Chef-Rufen vielleicht dem Richtigen zugute gekommen. Eine vage Hoffnung, zugegeben. Aber irgendwann schwant dir als weißem Fremdling, daß du alles nur falsch machen kannst - einfach weil du an einem Ort bist, wo du nicht hingehörst.
Ein hoher Zaun, dahinter Autos. Wir erkannten unsere zehn nicht ohne weiteres wieder. Und wenn wir nicht Zehntausende Mark in diesen Haufen Altblech investiert hätten, dann hätte ich mich umgedreht und veranlaßt, daß die Karren verschrottet werden.
Denn nach mehr als nach Schrott sahen sie nicht aus. Von den neuen Lackierungen, mit denen wir jeden Wagen für jeweils 1 000
Mark verschönert hatten, war nicht mehr viel zu erkennen. Flugrost nennt man das wohl. Vater streichelte die Autos
Weitere Kostenlose Bücher