Die Weisse Massai
sehe ich den Unterschied zwischen unserem Kral ohne Kühe und diesem. Nein, hier will ich nicht lange bleiben.
Wir werden zu Chai eingeladen, und Lketinga führt mich in die Hütte seines Halbbruders und dessen junger Frau, die ein zwei Wochen altes Baby hat. Sie scheint erfreut über unseren Besuch. Es wird viel geschwatzt, aber ich verstehe kein Wort. Die Scharen von Fliegen machen mich völlig fertig. Während des Teetrinkens halte ich ständig die Hand über den heißen Becher, damit ich wenigstens keine verschlucke. Das Baby hängt nackt in einem Kanga an der Mutter. Als ich mit der Hand auf den Kanga deute, da das Baby unbemerkt sein Geschäftchen erledigt, lacht die Frau, nimmt das Kind heraus und putzt es, indem sie auf den Po spuckt und ihn abreibt. Kanga und Rock werden ausgeschüttelt und mit Sand trocken gerieben. Mich würgt es bei der Vorstellung, daß dies täglich mehrmals passiert und so das Säuberungsritual vor sich geht. Ich spreche Lketinga darauf an, doch er meint, das sei normal. Jedenfalls helfen die Fliegen mit, die Überreste verschwinden zu lassen.
Als ich nun endlich nach Hause will, teilt Lketinga mir mit: »Das geht nicht, heute schlafen wir hier!« Er will bei der Kuh bleiben, und sein Halbbruder möchte für uns eine Ziege schlachten, da auch seine Frau dringend Fleisch benötige nach der Geburt. Der Gedanke, hier zu übernachten, läßt mich fast in Panik geraten. Einerseits darf ich die Gastfreundschaft nicht verletzen, andererseits fühle ich mich hier wirklich verloren.
Lketinga ist die meiste Zeit mit anderen Kriegern bei den Kühen, und ich sitze währenddessen mit drei Frauen in der dunklen Hütte und kann kein Wort sprechen. Sie reden ganz offensichtlich über mich oder kichern komisch. Eine prüft meine weiße Haut am Arm, die andere greift mir in die Haare. Die langen, hellen Haare verunsichern sie sehr. Alle haben rasierte Schädel, dafür sind sie geschmückt mit farbigen Perlenstirnbändern und langen Ohrringen.
Die Frau stillt wieder ihr Baby und hält es mir kurz darauf entgegen. Ich nehme es in den Arm, kann mich aber nicht recht erwärmen, da ich befürchte, daß es mir bald ähnlich ergehen wird wie vorher der Mama. Es ist mir schon klar, daß es hier keine Windeln gibt, doch kann ich mich im Moment noch nicht daran gewöhnen. Nachdem ich es eine Weile bestaunt habe, reiche ich es erleichtert zurück.
Lketinga schaut in die Hütte. Ich frage ihn, wo er so lange war. Lachend erklärt er mir, er trinke mit den Kriegern Milch. Nachher wollen sie die Ziege töten und uns gute Stücke bringen. Er muß wieder im Busch essen. Ich will mitkommen, doch diesmal geht es nicht. Der Kral ist riesig, und es sind zu viele Frauen und Krieger hier. Also warten wir ungefähr zwei Stunden, bis unser Fleischanteil gebracht wird.
Mittlerweile ist es dunkel, und die Frau kocht unser Fleisch. Wir sind drei Frauen und vier Kinder, die sich eine halbe Ziege teilen. Die andere Hälfte hat Lketinga mit seinem Halbbruder verzehrt. Als ich satt bin, krieche ich aus der Hütte und geselle mich zu meinem Massai und den anderen Kriegern, die abseits bei den Kühen hocken. Ich frage Lketinga, wann er schlafen kommt. Er lacht: »Oh no, Corinne, here I cannot sleep in this house together with ladies, I sleep here with friends and the cows.« Mir bleibt nichts anderes übrig, als zurück zu den fremden Frauen zu kriechen. Es ist die erste Nacht ohne Lketinga, und seine Wärme fehlt mir sehr. An meinem Kopfende in der Hütte sind drei kleine neugeborene Ziegen befestigt, die immer wieder meckern. In dieser Nacht schlafe ich nicht.
Am frühen Morgen ist das Treiben viel größer als bei uns in Barsaloi. Hier müssen nicht nur die Ziegen gemolken werden, sondern auch die Kühe. Überall meckert und muht es ungeduldig. Das Melken besorgen die Frauen oder Mädchen. Nach dem Chai brechen wir endlich auf. Mich überkommt geradezu ein Hochgefühl, wenn ich an unsere saubere Manyatta mit dem vielen Essen und an den River denke. Unser Landrover ist voll besetzt mit Frauen, die ihre Milch in Barsaloi verkaufen wollen. Sie sind froh, daß sie heute nicht den weiten Weg laufen müssen. Es dauert nicht lange, bis Lketinga drängt, er wolle auch mal steuern. Mit allen Mitteln versuche ich ihn davon abzubringen. Bald finde ich keine überzeugenden Worte mehr, da die Frauen Lketinga anscheinend anstacheln. Er greift mir ständig ins Steuer, bis ich entnervt anhalte. Stolz steigt er auf den Fahrersitz, und alle
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