Die Weisse Massai
in den Schatten und hoffen, daß bald ein Fahrzeug vorbeikommt, schließlich sieht die Straße befahrener aus als die nach Barsaloi.
Als nach Stunden nichts passiert und auch Lketinga nach einer Besichtigungstour zurückkommt, ohne den Baringo-See oder Hütten gefunden zu haben, beschließen wir, die Nacht im Landrover zu verbringen. Diese Nacht scheint unendlich lang. Wir schlafen kaum vor Hunger, Durst und Kälte. Am Morgen probieren es die Männer vergeblich noch einmal. Bis Mittag wollen wir noch warten, ob vielleicht doch Hilfe kommt. Meine Kehle ist ausgetrocknet, und die Lippen sind spröde. Das Mädchen weint schon wieder, und Tom verliert allmählich die Geduld.
Plötzlich lauscht Lketinga angestrengt und glaubt ein Fahrzeug zu hören. Es dauert noch Minuten, bevor auch ich Motorengeräusche wahrnehmen kann. Zu unserer großen Erleichterung sehen wir einen Safari-Bus. Der afrikanische Fahrer hält und läßt die Scheibe herunter. Die italienischen Touristen mustern uns neugierig. Tom schildert dem Driver unser Problem, doch der bedauert, er dürfe keine Fremden aufnehmen. Er reicht uns seinen Kreuzschlüssel. Leider paßt er nicht, er ist zu klein. Nun versuche ich, den Fahrer zu erweichen und biete sogar Geld an. Aber er kurbelt die Scheibe hoch und fährt einfach weiter. Die Italiener sagen die ganze Zeit nichts, mustern mich aber ziemlich distanziert. Anscheinend bin ich ihnen zu dreckig und die anderen zu wild. Wütend schreie ich dem davonfahrenden Bus die gräßlichsten Schimpfwörter hinterher. Ich schäme mich für die Weißen, weil sich nicht einer bemüht hat, den Fahrer zu überreden.
Tom ist überzeugt, daß wir wenigstens auf der richtigen Straße sind, und will gerade zu Fuß aufbrechen, als wir erneut Motorengeräusche vernehmen. Diesmal bin ich wild entschlossen, das Fahrzeug nicht ohne einen von uns weiterfahren zu lassen. Es ist ein ähnlicher Safari-Bus, ebenfalls mit Italienern besetzt.
Während Tom und Lketinga mit dem abweisenden Fahrer verhandeln und wieder nur Kopfschütteln ernten, reiße ich die hintere Bustüre auf und rufe verzweifelt hinein: »Do you speak English?« »No, solo italiano«, tönt es zurück. Nur ein jüngerer Mann sagt: »Yes, just a little bit, what’s your problem?« Ich erkläre, daß wir schon seit gestern morgen hier stehen, ohne Wasser und Essen, und dringend Hilfe brauchen. Der Fahrer sagt: »It’s not allowed«, und will die Türe schließen. Doch Gott sei Dank setzt sich der junge Italiener für uns ein und sagt, daß sie diesen Bus bezahlen und deshalb bestimmen können, ob jemand von uns mitfährt. Tom steigt vorne beim Fahrer ein, ob dieser will oder nicht. Erleichtert bedanke ich mich bei den Touristen.
Wir müssen noch fast drei Stunden ausharren, bis wir in der Ferne eine Staubwolke sichten. Endlich kommt Tom in einem Landrover mit dessen Besitzer zurück. Zu unserem großen Glück bringt er Cola und Brot mit. Ich will mich gleich auf das Getränk stürzen, aber er mahnt mich, nur kleine Schlucke zu nehmen, sonst würde mir schlecht. Wie neu geboren schwöre ich mir, mit diesem Fahrzeug nie mehr ohne Trinkwasser loszufahren.
Tom kann die letzte Radmutter nur lösen, indem er sie mit Hammer und Meißel entzweischlägt. Dann geht der Radwechsel zügig vonstatten, und bald darauf fahren wir mit einer Schraube weniger weiter. Nach gut eineinhalb Stunden erreichen wir endlich den Lake Baringo. Die Tankstelle befindet sich direkt neben einem pompösen Touristen-Gartenrestaurant. Nach den überstandenen Strapazen lade ich alle ins Restaurant ein. Das Mädchen staunt über diese neue Welt, fühlt sich aber nicht wohl. Wir setzen uns an einen schönen Tisch mit Blick auf den See, in dem sich Tausende rosa Flamingos tummeln. Als ich in die staunenden Gesichter meiner Begleiter sehe, bin ich doch stolz, ihnen außer Mühsal auch etwas Außergewöhnliches bieten zu können.
Zwei Kellner kommen an unseren Tisch, aber nicht etwa für die Bestellung, sondern um uns mitzuteilen, daß wir hier nichts bekommen, weil dies nur für Touristen sei. Entsetzt antworte ich: »Ich bin Touristin und lade meine Freunde ein.« Der schwarze Kellner beruhigt mich, ich könne bleiben, aber die Massai müßten das Gelände verlassen. Wir stehen auf und gehen. Fast körperlich spüre ich, wie gedemütigt sich diese sonst so stolzen Menschen fühlen.
Wenigstens bekommen wir Benzin. Als der Tankstellenbesitzer allerdings sieht, daß ich die zwei großen Fässer füllen will,
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