Die Weisse Massai
zum Zudecken.
Das Packen gestaltet sich nicht einfach. Ganz unten in der Reisetasche verstaue ich mein langes, weißes Hochzeitskleid, das ich zum Abschluß meiner Geschäftstätigkeit von einem Lieferanten geschenkt bekam. Damals versprach ich ihm, falls ich jemals heiraten sollte, es zu tragen, also muß es unbedingt mit, samt dem dazugehörigen Kopfschmuck. Auf das Brautkleid packe ich Puddingbeutel, Saucen und Suppen. Darauf lege ich die Geschenke. Die Zwischenräume fülle ich mit Arzneimitteln, Pflaster, Verband, Wundsalben und Vitamintabletten. Obenauf kommen die Decken. Beide Taschen sind gestopft voll.
Die Abreise rückt näher. Meine gesamte Familie bespricht eine Kassette für Lketinga zu unserer Hochzeit. Deshalb muß auch noch ein kleines Radio-Kassettengerät in die Reisetasche. Mit zweiunddreißig Kilo Gepäck stehe ich am Flughafen Kloten zum Abflug bereit. Ich freue mich riesig auf die Heimreise. Ja, wenn ich in mein Innerstes horche, weiß ich jetzt, wo mein wirkliches Zuhause ist. Natürlich fällt mir der Abschied von meiner Mutter schwer, doch mein Herz gehört bereits Afrika. Ich weiß nicht, wann ich wiederkomme.
Heimat Afrika
In Nairobi fahre ich mit einem Taxi zum Igbol-Hotel. Der Fahrer bemerkt den Massai-Schmuck an meinen Armen und fragt, ob ich die Massai gut kenne. »Yes, I go to marry a Samburu-man«, ist meine Antwort. Der Driver schüttelt den Kopf und versteht anscheinend nicht, warum eine Weiße ausgerechnet einen Mann aus der, wie er es nennt, primitiven Volksgruppe heiraten will. Ich verzichte auf ein weiteres Gespräch und bin froh, endlich im Igbol angekommen zu sein. Doch heute habe ich kein Glück. Alle Zimmer sind besetzt. Ich suche nach einem anderen, günstigen Lodging und finde zwei Straßen weiter eine Möglichkeit.
Das Schleppen meiner Tasche bereitet mir trotz der kurzen Strecke enorme Mühe. Dann muß ich noch drei Stockwerke hoch, bis ich in meinem Verschlag bin. Es ist bei weitem nicht so gemütlich wie im Igbol, und ich bin hier die einzige Weiße. Das Bett hängt durch, und unter dem Bettgestell liegen zwei gebrauchte Kondome. Wenigstens sind die Bettlaken sauber. Ich gehe noch schnell ins Igbol, weil ich nach Maralal in die Mission telefonieren möchte. Von dort könnten sie morgen beim üblichen Radio-Funk in der Barsaloi-Mission melden, daß ich in zwei Tagen in Maralal eintreffe. Somit wüßte auch Lketinga von meiner Ankunft. Diese Idee kam mir im Flugzeug, und ich will es ausprobieren, obwohl ich die Maralal-Missionare nicht kenne. Ob es gelingt, weiß ich nach dem Gespräch nicht. Mein Englisch ist besser geworden, doch gab es während des Gesprächs mehrere Mißverständnisse, denn der gute Missionar begriff meine Botschaft nur zögernd.
In der Nacht schlafe ich schlecht. Anscheinend bin ich in einem Stundenhotel der Einheimischen gelandet, denn links und rechts in den Räumen wird gequietscht, gestöhnt oder gelacht. Türen schlagen auf und zu. Aber auch diese Nacht geht vorüber.
Die Busfahrt nach Nyahururu verläuft ohne Hindernisse. Ich schaue aus dem Fenster und erfreue mich an der Landschaft. Mein Zuhause rückt immer näher. In Nyahururu regnet es, und es ist kalt. Ich muß noch einmal übernachten, bevor ich am nächsten Morgen den vergammelten Bus nach Maralal nehmen kann. Die Abfahrt verzögert sich um anderthalb Stunden, weil das Gepäck auf dem Busdach mit Plastikplanen zugedeckt werden muß. Auch meine große, schwarze Reisetasche befindet sich dort oben. Die kleinere behalte ich bei mir.
Nach der kurzen Asphaltstraße biegen wir in die Naturstraße ein. Aus rotem Staub ist rotbrauner Schlamm geworden. Der Bus fährt noch langsamer als sonst, um ja nicht in die großen Löcher zu geraten, die jetzt mit Wasser gefüllt sind. Er schlängelt sich vorwärts, steht manchmal fast quer und spult sich wieder auf die Fahrbahn. Wir werden die doppelte Fahrzeit benötigen. Die Straße wird immer schlimmer. Ab und zu steckt ein Fahrzeug im Schlamm fest, und verschiedene Menschen versuchen es wieder flott zu kriegen. Zum Teil liegt die Fahrspur dreißig Zentimeter tiefer als der Schlamm daneben. Durch die Fenster sieht man kaum etwas, so verspritzt sind sie.
Nach etwa der Hälfte der Strecke gerät der Bus ins Wanken und dreht mit dem Hinterteil so ab, daß er quer steht. Die hinteren Räder stecken im Straßengraben. Nichts geht mehr, die Räder drehen durch. Zuerst müssen alle Männer raus. Der Bus rutscht zwei Meter zur Seite und steckt wieder
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