Die Weisse Massai
Frauen klatschen. Mir ist elend zumute, und verzweifelt versuche ich, ihm wenigstens noch Gas und Bremse zu erklären. Er wehrt ab: »I know, I know«, rumpelt los und strahlt vor Glück. Ich kann dieses Glück nur für Sekunden teilen, denn schon nach etwa hundert Metern rufe ich: »Slowly, slowly!« Lketinga jedoch wird schneller statt langsamer und steuert geradewegs auf einen Baum zu. Er scheint alles zu verwechseln. Ich schreie: »Langsam, mehr links!« In meiner Panik reiße ich kurz vor dem Baum das Steuer nach links. So entkommen wir zwar einer Frontalkollision, aber der Wagen hängt mit dem Kotflügel am Baum, der Motor stirbt ab.
Jetzt kann ich mich nicht mehr beherrschen. Ich steige aus, schaue mir den Schaden an und schlage auf das verdammte Fahrzeug ein. Die Frauen kreischen, aber nicht wegen des Unfalls, sondern weil ich einen Mann anschreie. Lketinga steht neben mir und ist völlig fertig. Das wollte er nicht. Verstört packt er seine Speere und will zu Fuß nach Hause. Nie mehr will er in dieses Auto steigen. Als ich ihn so sehe, nachdem er zwei Minuten zuvor noch so lustig war, tut er mir leid. Ich fahre den Landrover rückwärts, und da alles noch funktioniert, bringe ich Lketinga soweit, daß er wieder einsteigt. Der Rest der Fahrt verläuft schweigend, und ich male mir schon jetzt die Blamage in Maralal aus, wenn die Mzungu mit dem verbeulten Fahrzeug ankommt.
In Barsaloi wartet die Mama schon freudig auf uns. Sogar Saguna begrüßt mich fröhlich. Lketinga legt sich in unsere Hütte. Ihm ist schlecht, und er macht sich Gedanken wegen der Polizei, da er ja nicht fahren darf. Er ist in einem so schlimmen Zustand, daß ich Angst habe, er könnte wieder verrückt werden. Ich beruhige ihn und verspreche, niemandem etwas zu sagen. Es sei mir passiert, und wir würden es in Maralal reparieren.
Ich will an den River, um mich zu waschen. Lketinga kommt nicht mit, er will die Hütte nicht verlassen. So gehe ich allein, obwohl die Mama schimpft. Sie hat Angst, mich ohne Begleitung zum River zu lassen. Sie selbst ist schon jahrelang nicht mehr dort gewesen. Trotzdem mache ich mich auf den Weg und nehme den Wasserkanister mit. An unserer üblichen Stelle wasche ich mich. Doch allein fühle ich mich nicht so wohl und wage nicht, mich ganz auszuziehen. Ich beeile mich. Als ich zurück bin und in die Hütte krieche, fragt er mich neugierig, was ich so lange am River gemacht und wen ich getroffen hätte. Überrascht antworte ich, daß ich die Leute gar nicht kenne und mich sehr beeilt habe. Er erwidert nichts.
Mit ihm und der Mama bespreche ich meine Heimreise, da mein Visum bald abläuft und ich in zwei Wochen Kenia verlassen muß. Die beiden sind nicht gerade glücklich. Lketinga fragt ängstlich, was denn passiert, falls ich nicht wiederkomme, wo wir doch bereits auf dem Office unsere Heiratsabsichten bekannt gegeben haben. »I come back, no problem!« antworte ich. Weil ich kein gültiges Ticket habe und keinen reservierten Flug, plane ich, in einer Woche loszufahren. Die Tage verfliegen. Abgesehen von unseren täglichen Waschzeremonien bleiben wir zu Hause und besprechen unsere Zukunft.
Am vorletzten Tag liegen wir faul in der Hütte, als draußen lautes Frauengeschrei zu hören ist. »What’s that?« frage ich erstaunt. Lketinga lauscht angespannt nach draußen. Sein Gesicht verfinstert sich. »What’s the problem?« frage ich nochmals und spüre, daß etwas nicht in Ordnung ist. Kurz darauf kommt Mama aufgebracht in die Hütte. Sie schaut Lketinga verärgert an, während sie zwei oder drei Sätze mit ihm wechselt. Er geht nach draußen, und ich höre eine laute Auseinandersetzung. Ich will ebenfalls hinauskriechen, doch Mama hält mich kopfschüttelnd zurück. Während ich mich wieder hinsetze, klopft mein Herz wie verrückt. Es muß etwas Schlimmes sein. Endlich kommt Lketinga zurück und setzt sich noch ganz aufgewühlt neben mich. Draußen wird es ruhiger. Nun will ich wissen, was passiert ist. Nach längerem Schweigen erfahre ich, daß die Mutter seiner langjährigen Freundin mit zwei Begleiterinnen vor der Hütte steht.
Mir wird elend vor Angst. Daß eine Freundin existiert, höre ich zum ersten Mal. In zwei Tagen reise ich ab, ich will Klarheit, und zwar jetzt: »Lketinga, you have a girlfriend, maybe you must marry this girl?« Lketinga lacht gequält und sagt: »Yes, many years I have a little girlfriend, but I cannot marry this girl!« Ich verstehe nichts. »Why?« Nun erfahre ich, daß
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