Die Weisse Massai
geht. Einfach schlecht, erwidere ich. Ob wir denn heute nicht zurückfahren? Für mich ist das unmöglich. Ich muß auf die Toilette. Meine Beine wackeln, ich kann kaum stehen. Ich sollte essen, geht es mir durch den Kopf.
Lketinga geht hinunter und kommt mit einem Teller Fleischbrocken zurück. Als ich das Essen rieche, verkrampft sich mein Magen, der inzwischen höllisch schmerzt. Ich übergebe mich schon wieder. Außer etwas gelber Flüssigkeit kommt nichts mehr, aber gerade diese Art von Brechen schmerzt gräßlich. Durch die Würgerei setzt auch noch der Durchfall ein. Mir ist hundeelend, und ich habe das Gefühl, meine letzten Stunden sind gezählt.
Am Abend des zweiten Tages schlafe ich während der Hitzewellen ständig ein und verliere jegliches Zeitgefühl. Das Gedudel geht mir so auf den Geist, daß ich heule und mir die Ohren zuhalte. Jomo wird wohl alles zuviel, denn er meint, er gehe Verwandte besuchen, sei aber in drei Stunden zurück. Lketinga zählt unser Bargeld, und mir ist, als würde einiges fehlen. Aber es ist mir gleichgültig. Mir wird langsam klar, wenn ich jetzt nichts unternehme, werde ich Nairobi, ja nicht einmal dieses schreckliche Lodging überleben.
Lketinga geht los, um Vitamintabletten und das einheimische Malariamittel zu holen. Die Tabletten würge ich hinunter. Wenn ich breche, schlucke ich sofort wieder eine. Mittlerweile ist es Mitternacht, und Jomo ist immer noch nicht zurück. Wir machen uns Sorgen, da Nairobi in dieser Gegend gefährlich ist. Lketinga schläft fast nicht und kümmert sich liebevoll um mich.
Meine Anfälle haben durch das Mittel etwas nachgelassen, doch bin ich so schwach, daß ich nicht einmal meine Arme heben kann. Lketinga ist verzweifelt. Er will unseren Begleiter suchen gehen, doch das ist Irrsinn in dieser Stadt, in der er sich nicht auskennt. Ich flehe ihn an, bei mir zu bleiben, sonst bin ich ganz allein. Wir müssen Nairobi, sobald es geht, verlassen. Wie Bonbons verschlinge ich die Vitamintabletten. Langsam wird mein Kopf etwas klarer. Wenn ich hier nicht verrecken will, muß ich meine letzte Kraft zusammennehmen. Ich schicke meinen Darling los, mir Früchte und Brot zu kaufen. Nur nichts, das nach Essen riecht! Ich zwinge mich, Stück für Stück hinunterzuschlucken. Meine gesprungenen Lippen brennen höllisch beim Essen der Früchte, doch muß ich Kraft sammeln, um weggehen zu können. Jomo hat uns im Stich gelassen.
Allein die Angst, Lketinga könnte durchdrehen, läßt mich stärker werden. Ich will versuchen, mich zu waschen, damit ich mich besser fühle. Mein Darling bringt mich zur Dusche, und ich schaffe es mit Müh und Not, mich zu duschen. Dann verlange ich nach drei Tagen endlich neue Bettwäsche. Bis alles frisch bezogen ist, will ich ein paar Schritte laufen. Auf der Straße ist mir schwindlig, doch ich will es schaffen. Wir gehen vielleicht fünfzig Meter, und mir scheint, es wären fünf Kilometer. Ich muß zurück, denn der Gestank der Straße läßt meinem Magen keine Ruhe. Dennoch bin ich stolz auf meine Leistung. Ich verspreche Lketinga, daß wir morgen Nairobi verlassen werden. Als ich wieder erschöpft im Bett liege, wünsche ich mir, zu Hause bei meiner Mutter in der Schweiz zu sein.
Morgens bringt uns ein Taxi zur Busstation. Lketinga ist beunruhigt, weil er glaubt, wir ließen den anderen zurück. Aber nach zwei Tagen Wartezeit ist es wohl unser Recht abzureisen, da auch Lketingas Fest immer näherrückt.
Die Fahrt nach Isiolo dauert ewig. Lketinga muß mich stützen, damit ich in den Kurven nicht kraftlos vom Sitz falle. In Isiolo schlägt Lketinga vor, hier zu übernachten, doch ich will nach Hause. Wenigstens nach Maralal möchte ich, vielleicht sehe ich Jutta oder Sophia. Ich schleppe mich zur Mission und steige ins Fahrzeug, während sich Lketinga bei den Missionaren verabschiedet. Er will ans Steuer, aber das kann ich nicht verantworten. Wir sind in einer kleineren Stadt, und es wimmelt von Straßenkontrollen.
Ich fahre los und schaffe kaum, das Kupplungspedal durchzudrücken. Die ersten paar Kilometer sind noch asphaltiert, dann beginnt die Naturstraße. Unterwegs halten wir an und nehmen drei Samburus mit, die nach Wamba wollen. Beim Fahren denke ich an nichts mehr und konzentriere mich nur auf die Straße. Die Schlaglöcher erkenne ich schon von weitem. Was im Fahrzeug geschieht, nehme ich nicht wahr. Erst als jemand eine Zigarette anzündet, verlange ich, sie sofort zu löschen, sonst muß ich brechen. Ich
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