Die Weisse Massai
rein- und rausgegangen ist. Wir sollen uns den beiden gegenüber hinsetzen. Die zwei Männer stellen sich als Polizisten in Zivil vor und verlangen meinen Paß sowie den Ausweis von Lketinga.
Mein Herz klopft bis in die Schläfen. Was ist hier los? Ich habe Angst, in der Aufregung das Beamtenenglisch nicht mehr zu verstehen. Viele Fragen prasseln auf mich nieder. Seit wann ich im Samburu-Gebiet lebe, wo ich Lketinga kennengelernt habe, seit wann, wie und wovon wir hier lebten, was mein Beruf sei, wie wir uns verständigen, usw. Die Fragen nehmen kein Ende.
Lketinga will ständig wissen, wovon wir sprechen, doch ich kann ihm das hier nicht auf unsere Art, uns miteinander zu verständigen, erklären. Bei der Frage, ob ich schon mal verheiratet war, platzt mir langsam der Kragen. Erregt antworte ich, daß meine Geburtsurkunde und mein Paß denselben Namen tragen und ich auch eine Bescheinigung der Schweizer Gemeinde auf Englisch habe. Diese wird nicht anerkannt, da die Botschaft in Nairobi das nicht bestätigt hat, sagt der eine. »Aber mein Paß«, entgegne ich aufgebracht. Doch weiter komme ich nicht. Der könnte ja ebenfalls gefälscht sein, antwortet der Officer. Nun bin ich außer mir vor Wut. Der Officer fragt Lketinga, ob er schon eine Samburu-Frau geheiratet habe. Er antwortet wahrheitsgetreu mit nein. Wie er das beweisen kann, will der Officer wissen. Ja, in Barsaloi wissen das alle. Wir sind aber hier in Maralal, ist die Antwort. In welcher Sprache wir denn getraut werden wollen? Ich denke in Englisch, gedolmetscht in Massai. Der Officer lacht dreckig und meint, für solche Spezialfälle habe er keine Zeit und übrigens könne er die Massai-Sprache nicht. Wir sollen wiederkommen, wenn wir dieselbe Sprache, Englisch oder Suaheli, sprechen, ich in Nairobi mein Papier gestempelt habe und Lketinga einen vom Chief unterzeichneten Brief bringt, daß er noch nicht verheiratet ist.
Vor Wut über diese Schikane raste ich völlig aus und schreie den Officer an, warum er das alles nicht schon beim ersten Mal erwähnt habe. Hochmütig erklärt er, hier bestimme immer noch er, wann er was mitteilt, und wenn es mir nicht paßt, könne er dafür sorgen, daß ich morgen das Land verlassen muß. Das sitzt! »Come, darling, we go, they don’t want give the marriage.« Wütend und heulend verlasse ich das Office, Lketinga hinter mir. Draußen zucken die Kameras von Sophia und Jutta, da sie glauben, wir hätten es hinter uns.
In der Zwischenzeit haben sich mindestens zwanzig Leute hier versammelt. Am liebsten würde ich im Boden versinken. Jutta bemerkt es als erste: »Was ist los, Corinne, Lketinga, what’s the problem?« »I don’t know«, antwortet er verwirrt. Ich stürze zu meinem Landrover und rase zum Lodging. Ich will allein sein. Dort falle ich aufs Bett und kann nur noch heulen, es schüttelt mich am ganzen Körper. »Diese verdammten Schweine!« denke ich.
Irgendwann sitzt Lketinga neben mir und versucht mich zu beruhigen. Obwohl ich weiß, daß er mit Tränen wenig anfangen kann, schaffe ich es nicht, aufzuhören. Jutta schaut ebenfalls herein und bringt mir einen Kenia-Schnaps. Widerwillig stürze ich ihn hinunter, und allmählich löst sich der Weinkrampf. Ich fühle mich müde und wie taub. Irgendwann geht Jutta, Lketinga trinkt Bier und kaut sein Miraa.
Eine Weile später klopft es an der Tür. Ich liege im Bett und starre die Decke an. Lketinga öffnet, und die zwei zivilen Polizisten schleichen herein. Sie entschuldigen sich höflich und wollen ihre Hilfe anbieten. Da ich nicht reagiere, spricht der eine, ein Samburu, mit Lketinga. Als mir klar wird, daß diese Schweine nur viel Geld wollen, damit sie uns heiraten lassen, platzt mir nochmal der Kragen. Ich schreie sie an, unser Zimmer zu verlassen. Ich werde diesen Mann eben in Nairobi oder sonstwo heiraten, und zwar ohne ihre dreckigen Angebote. Betreten verlassen sie unseren Raum.
Morgen werden wir nach Nairobi fahren, um mein Formular bestätigen und vorsorglich mein Visum verlängern zu lassen. Jetzt, mit den Heiratsantragsformularen, sollte das gehen. Dann haben wir wieder drei Monate Zeit, um das Papier vom Chief zu bekommen. Es wäre ja gelacht, wenn es nicht ohne Schmiergeld ginge! Der unsympathische Jomo schaut herein, als ich gerade schlafen will. Lketinga erzählt ihm unseren Plan, und er möchte uns begleiten, da er Nairobi bestens kenne, wie er versichert. Weil die Straße nach Nyahururu immer noch in sehr schlechtem Zustand ist,
Weitere Kostenlose Bücher