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Die Weite fühlen - Solèr, P: Weite fühlen

Die Weite fühlen - Solèr, P: Weite fühlen

Titel: Die Weite fühlen - Solèr, P: Weite fühlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Solèr
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zwanzig meiner Schafe auf Patnaul, der Vriner Schafsalp, seien. Ich hatte dort am Tag ein paar Heidelberger Heizschnucken geholt. Wunderbar. Es war schon am Eindunkeln, mit dem Feldstecher sah ich nichts. Nun musste ich sie also am nächsten Tag holen, denn am übernächsten ging es am Morgen früh los.
    Am Morgen war dichter Nebel, na toll. Der Alpmeister fuhr mich nach Pardatsch. Auf dem Weg trafen wir meinen Freund, der am Vortag mit seiner Alp abgeschlossen hatte und nun auf der Jagd war. Ich strahlte, hatten wir uns doch so lange nicht gesehen. Die Begegnung war kurz. In Pardatsch ging es dann den steilen Weg hinauf. Ich hatte keine Regenkleider an, um besser laufen zu können. In kürzester Zeit war ich vom hohen Gras nass bis zum Po, und kalt war es auch. Nur nicht stehenbleiben. Dann hörte ich Glocken, lief zu ihnen, es waren die Ziegen vom Gabriel. Also weiter, Spuren suchen. Den ganzen Vormittag lief ich durch den unteren Teil von Patnaul, hin und her, ich dachte, solange ich diese Schafe nicht finde, gehe ich da nicht runter. Doch als die ganze Alp durchgelaufen war, musste ich doch passen und hinunter nach Pardatsch laufen. Gemsen sprangen ganz nahe neben mir an sichere Orte, ich hörte nur das Stampfen ihrer zierlichen Hufe, keine Glocken, nichts. In Pardatsch unten war der Nebel weg, die Jäger kamen aus ihren warmen Hütten. Sie boten mir an, mich in einer ihrer Hütten zu trocknen. Ich lehnte dankend ab, ich wollte lieber weiter und mich frisch anziehen, denn ich musste ja noch in die andere Richtung, weitere Schafe hinuntertreiben.
    In Vanescha ass ich einen Bissen, und weiter ging es. Da der Nebel nun verzogen war, fand ich sie bald, und alles lief gut. Nur die Schafe auf Patnaul fehlten mir. Würde ich am nächsten Tag ohne sie hinaus laufen müssen? Niemand hatte sie gesichtet, auch die Jäger nicht. Wenn fast 1000 Schafe zusammen sind, findet man 22 nicht gerade. Wir liefen bis Vella, dort wird ein Teil der Schafe sortiert. Der Bauer, dem die 22 gehörten, suchte sie nicht hinaus, sie sollten direkt auf die Nachweide unterhalb von Vella gehen.
    Zurück in Vanescha durchsuchte ich am nächsten Tag mit Gabriel seine ganze Alp. Wir fanden nur einzelne Schafe, die wir mit ins Tal nahmen. Nun wusste ich auch nicht mehr, wo suchen. Ich läutete den Hirt von der Fruntalp an, ob sie vielleicht auf der Valser Seite wären. Er sah auch nichts. Ich gab auf.
    Nachdem die Schafe von der Nachweide wieder in den Pferch gekommen waren, fuhr ich nach Vella. Ein Jäger war dort, der von meiner Not wusste. Er kam auf mich zu und sagte, seine Frau sei wegen einem Lamm bei der Wahrsagerin gewesen. Sie habe auch nach meinen Schafen gefragt. Die Wahrsagerin habe Hühnerhaut bekommen und gesagt: »Mit den Schafen geht es gar nicht gut.« Ein Bauer hörte das und sagte mir: »Ach, das ist doch nicht wahr.« Aber mich murkste es. Ich ging in den Pferch. Solange der Bauer die Schafe nicht sortierte, konnte ich nicht zählen. Ich wartete also bis zum Schluss. Und siehe da: Die 22 waren bei den anderen, waren von alleine zurück zur Herde gekommen. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Die Bäuerin schenkte mir eine Glocke.
    Dezember. Es ist warm geworden, die Eiszapfen am Nachbarshaus sind fast geschmolzen. Bin gerade zurück vom Laden. Mein Mittagessen: Müsli mit frischem Kuhrahm, so fein. Jetzt ist Treuia am Jammern, sie will hinaus. Ja, ich komme schon, nur noch eine Zigarette drehen und geniessen – und dann laufen wir ein Stück.
    Oh, es hat Guezli für Treuia gegeben und ein selbstgebranntes Schnäpsli für mich. Ich habe Treuia beim Tierarzt für die Spritze danach angemeldet, damit sie keine Welpen kriegt. Es geht mir gegen den Strich, aber Inzucht muss nicht sein, und Welpen, wie kriege ich die weg? Die Spritze ist voller Chemie, hoffentlich schadet sie ihr nicht. In dieser einen halben Minute, in der die beiden meiner Aufsicht entflohen sind, ist es passiert. Ich hätte mich und die Hunde ohrfeigen können, aber das hätte auch nichts mehr genützt.
    Noch fünf Minuten, und ich muss zurück ins Dorf, um den Laden zu öffnen.
    Der Schnee schmilzt davon. Il zuffel, so nennen wir in Vrin den Föhn. Er macht ganze Arbeit. Mein Kopf rebelliert. Die Tiere fressen weniger, wenn es warm ist. Habe schlecht geschlafen.
    Der Tag lief trotzdem gut, inzwischen hat auch das Kopfweh aufgehört. Der Himmel ist bedeckt, es taut immer noch. Bin eben zurück vom Laden, nun muss ich mich umziehen, und weiter geht es in den Stall. Mütze,

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