Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Weite fühlen - Solèr, P: Weite fühlen

Die Weite fühlen - Solèr, P: Weite fühlen

Titel: Die Weite fühlen - Solèr, P: Weite fühlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Solèr
Vom Netzwerk:
eingefroren, musste mit dem Schlauch hantieren. Dann Heu rüsten. Ich vertrage schlecht den Heustaub, so trage ich nun eine Maske. Schöne schwarze Ränder sind am Gesicht festgeklebt. Ohne die Maske wäre alles in meiner Lunge.
    Als Gabriel und ich auf der Ziegenalp am Abend vor dem Melken einen Kaffee tranken, sagte er plötzlich zu mir: »Hast du dich geschminkt?« Ich schaute verwundert: »Nein, warum?« – »Es sieht so aus.« Ich ging zum Spiegel, und tatsächlich umrahmte ein feiner schwarzer Strich meine Augen, wie geschminkt. »Habe heute am Grat nach Kalzit gegraben und der Wind blies mir ständig Erde ins Gesicht, davon kommt die Schminke.«
    Zacharias war ein Engel auf Erden. Er hatte das Down-Syndrom und konnte ins Innerste eines Menschen sehen. Nur elf Jahre verbrachte er auf unserer Erde, und in dieser Zeit brachte er so viel Licht. Dann hatte er einen tödlichen Unfall, aber sein Licht leuchtet heute noch in den Herzen derer, die ihn gekannt haben. Er strahlte so viel Freude aus, er war einfach. Er ist es noch.
    Auf der Heimfahrt holte ich heute für eine Nachbarin Brot, das beim Bäcker bestellt war. Am Morgen, als ich vom Füttern zurückkam, hatte ich im Gang eine Tasche gefunden. Schon so früh jemand da? Ich sah hinein und fand ein frisches Brot aus dem Holzofen und frischen Kuhrahm. Welche Freude, so ein feines Geschenk von einer anderen Nachbarin. Sie hatte am Tag davor mit zwei anderen Nachbarinnen Brot im grossen Holzofen im vorderen Teil von Cons gebacken. Ein schönes Bild, wie sie mit den noch teigigen Leibern auf den Brettern durch den Schnee zum Ofen laufen. Sieben bis acht Brote sind jeweils auf einem Brett. Ich trat in die Bäckerei ein, die Ladenbesitzerin kam frisch von den Ferien in Ägypten an die Theke. Ich sah den Grittibänz mit Pfeife. »Das ist Lori«, sagte ich, wir lachten. Wir kennen beide Lori. Nun, ich kaufte den Lori und legte ihn bei meinem Freund in die Vorratskammer, nur halb ausgepackt. Am Abend, nachdem der Samiklaus uns beim Nachtessen überrascht hatte, fiel mir der Grittibänz ein. Ich sagte zu meinem Freund: »Erschrick morgen nicht in der Vorratskammer! « Natürlich nahm ihn das wunder. Er öffnete die Tür, sah lange rein und meinte, er sehe nichts. Dann plötzlich: »Aha, hast du Ziegen, die mehr Milch geben?« Es waren mehr Tetrapackmilch als auch schon. Wir lachten, er schloss die Tür. Ich sagte: »Nein, das ist es nicht.« Er öffnete wieder die Tür, ich sagte: »weiter oben.« Er sah ihn. Uns taten die Bauchmuskeln weh beim Lachen. Ein wirklicher Samiklaustag. Lachen tut so gut.
    Die Ziegen sind kalt, darum die Tetrapackungen. Ziegenmilch schmeckt mir besser. Es gibt damit den besten Milchreis, erklärte ich heute unserer Lebensmittelverkäuferin. Sie mag aber keinen Milchreis.
    Sonntag. Es ist richtig warm geworden in der Nacht, die Temperatur ist jetzt minus vier Grad. Da es am Abend minus 13 Grad war, habe ich die Türen bei den Schafen geschlossen. So war heute das Wasser getaut und Gestank im Stall. Diese Temperaturschwankungen sind nicht gesund.
    Der Föhn tanzt. Die Vollmondnacht in Vanescha war neblig, mystisch. Emil war auch noch da. Er liess am Abend meine Hunde ins Freie, bevor er zu Bett ging. Ich fuhr mit Freunden nach Disentis ans Konzert einer romanischen Rockgruppe. Den Schlüssel der Hütte liess ich bei der Türe. Um zwei Uhr morgens, als mich meine Freunde nach Vanescha brachten, war er weg. Ich stieg durch das Fenster in die Hütte und bat meine Freunde zu warten, falls jemand drin wäre. Ich fand nichts. Sie fuhren nach Hause. Da ich die Türe von innen geöffnet hatte, konnte ich sie nicht mehr schliessen. Ich schlief trotzdem gut. Am Morgen versorgte ich die Tiere und fragte Emil nach dem Schlüssel. Er sagte, er hätte ihn zurückgelegt, nachdem er die Hunde versorgt hätte. Der Schlüssel blieb verschwunden. So bat ich Teodor, einen Schreiner, der auch eine Hütte in Vanescha besitzt, mir ein neues Schloss zu montieren. Er kam und fragte, was passiert sei. Ich erzählte es ihm und fügte hinzu: »Vielleicht waren es die Geister?« Er hielt bei der Arbeit inne und sagte: »Dann verschwinde ich aber.«
    Im Frühling, als mein Vater im Heustadel Ordnung machte, fand er den Schlüssel unter einem Sack mit Heublumen. Das Rätsel ist heute noch nicht gelöst. Wer war es und warum?
    Mein Lieblingsberg, Pez Scharboda, hat das Gesicht eines Indianers. Gabriel, der Hirte von Patnaul, und ich sassen unterhalb der Fuarcla am Reden, als

Weitere Kostenlose Bücher