Die Weiterbildungsluege
Therapeut kommt. Firmen brauchen ständig den passgenauen
Mitarbeiter. Gestern warst du noch Bäcker und heute reparierst du den Ofen. Und falls es dir nicht passt, dann doktern wir
so lange an deiner Einstellung herum, bis du glaubst, es war deine Idee. Die Ideale der Personalentwicklung lauten: Man kann
alles lernen, wenn man nur den nötigen Willen und die Durchhaltekraft besitzt. Das erinnert uns an die ProSieben-Bauarbeiterserie
Was nicht passt, wird passend gemacht
11 . Die Tools der Personalentwicklung versprechen »Heilung«. Für jeden. Doch in Wirklichkeit hat es kein Mensch in der Hand,
ob sich andere verändern. Und da liegt der Denkfehler beim Begriff »Personalentwicklung«. Folglich hat er einen Ehrenplatz
in der Hall of Shame der Unworte verdient. Gleich neben dem Wort »Humankapital«.
Und so bleibt am Ende nur eines zu konstatieren: Trainer und Personalentwickler eint der Kampf um eigene Aufträge und Arbeitsplätze.
Beide müssen eine gute Selbstdarstellungsfähigkeit |19| haben und gefühlten Nutzen verkaufen. Und wenn dem Personalentwickler nichts mehr einfällt, kann er sicher sein, dass ein
cleverer externer Trainer ihn mit Ideen anfüttert, wie er im Unternehmen wieder Oberwasser bekommt. Nur dieser freundlichen
Koexistenz ist zu verdanken, dass in jüngerer Zeit »Trainieren mit Tieren« zum Trendthema avancierte. Wölfe beobachten, Pferde
führen, Walen über die nasse Schulter schauen, bald auch mit den Kängurus hüpfen oder sich ein Beispiel an der Veränderungsfähigkeit
von Amöben nehmen – tierische Seminarkonzepte von schlauen Trainern finden ihre Abnehmer. 12 Das liegt am Drang und Druck der Personalentwickler, ständig Neues zu bieten. Gefragt sind immer neue Settings und Lernformen
– möglichst immer ein neuer Kick und viel Entertainment. Ein anderer aktueller Coup von Weiterbildungsanbietern ist der Hype
um Bildungscontrolling, auf den ich in Kapitel 9 näher eingehen werde. An dieser Stelle nur so viel: Im Sog von Bildungscontrolling
macht das Wort vom Business Case die Runde. Für diejenigen, die nicht BWL studiert haben: In einem Business Case werden Annahmen
über die Kosten eines Projekts und die damit zu erwartenden Erträge getroffen. Und auch hierbei kommt es nur auf eines an:
rhetorische Begabung, um mit soliden Nutzenargumentationen überzeugen zu können.
Der Inhalt des Buches
Liebe Leserin und lieber Leser, wenn Sie nicht die Augen verschließen wollen, dann lesen Sie nach dieser kurzen Einführung
weiter und erfahren im Detail, warum Weiterbildung unterm Strich nichts bringt. Natürlich sind alle genannten Ursachen in
den folgenden Kapiteln nicht immer in allen Firmen und bei allen Teilnehmern gleichermaßen gültig. Vielmehr geht es um die
Summe der Faktoren.
In Teil I wird Ihnen deutlich werden, dass Mitarbeiter – und darin schließe ich auch Führungskräfte eines Unternehmens |20| ein – durch betriebliche Weiterbildung nicht aus ihrer persönlichkeitsbedingten Haut herauskommen oder die natürlichen Grenzen
eigener Anlagen überwinden können. Außerdem werden Sie feststellen, dass die Mitarbeiter in Unternehmen angesichts vieler
anderer Prioritäten im Arbeitsalltag nicht die nötige Disziplin und Einsatzfreude mitbringen, die gelungene Veränderung und
Lernen erfordern. Es läuft ja auch so.
In Teil II erfahren Sie, dass sich die direkten Vorgesetzten aus Zeitgründen nicht um ihre Mitarbeiter kümmern. Der genaue
Bedarf für Weiterbildung wird nicht erfasst, niemand wird auf eine Maßnahme vorbereitet. Und wenn er vom Seminar zurückkehrt,
fehlt jegliches Interesse an einer nachhaltigen Umsetzung. Sie lesen aber auch etwas über konfliktscheue Führungskräfte, die
Weiterbildung missbrauchen, weil sie sich nicht mit ihren Mitarbeiter auseinandersetzen wollen oder können. Nicht zu vergessen
ist das Top-Management. Es lebt nicht vor, was Personalentwicklungsprogramme von den Mitarbeitern fordern. Außerdem verpulvern
sie durch ihre Taten und Entscheidungen das Weiterbildungsgeld wie Feuerwerkskörper zu Silvester.
Und wenn Sie noch den Mut für Teil III haben, wird Ihnen deutlich, wie die Gruppendynamik in Teams dazu beiträgt, dass neue
Verhaltensweisen überhaupt keine Chance haben. Nicht zuletzt, weil die Chefs tatenlos zuschauen. Und weil die Rahmenbedingungen
den Weiterbildungserfolg ausmachen, komme ich schließlich auch wieder auf die Unternehmensleitung und die Personalentwicklung
zu
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