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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Pfalzgraf sachlich.
    Verständnislos sah ihn Judith an. »Ein Tag in der Erde genügt etwa nicht?«, fragte sie, als sie sich mühsam erhob.
    Der Pfalzgraf deutete auf den Pflug. Mehrere Männer waren damit beschäftigt, zwei Ochsen vorzuspannen.
    »Für Landraub ist eine andere Todesart vorgesehen«, erklärte der Pfalzgraf. »Wir werden diesem Mann jetzt das Herz aus dem Leibe pflügen.«
    Judith glaubte, nicht richtig gehört zu haben.
    Ruadbern war herangetreten und versperrte Judith mit seinem Körper den Blick auf den Kopf. »Lass uns sofort gehen!«, drängte der Knabe.
    »Es ist gewiss verständiger, Euch den Anblick zu ersparen«, stimmte der Pfalzgraf mit vielsagendem Blick auf Judiths hohen Leib zu.
    Sie schob Ruadbern zur Seite.
    Plötzlich fiel ihr Irmingards Bemerkung ein, dass vor Giselas Geburt ein Knabe getötet worden war, weil er einen Stein nach ihr geworfen hatte. Dieser Mann sollte vor der Geburt ihres nächsten Kindes auf grausame Weise sterben, weil er einen Stein versetzt hatte. Zwei Steine, die über Leben und Tod entschieden.
    »Ein solcher Anblick sollte jedem erspart werden«, murmelte sie.
    »Gnade, edle Herrin«, kam es keuchend von dem Kopf.
    Gnade. Nur der Kaiser konnte Todgeweihte begnadigen. Doch Judith hatte Weisungsbefugnis und durfte auf eigene Veranlassung Königsboten losschicken. Ihr Befehl war dem des Kaisers gleichzusetzen. So stand es geschrieben. Auch wenn nirgendwo ausdrücklich vermerkt war, dass die Kaiserin eine Todesstrafe umwandeln durfte. Dennoch würde sie sich auf tote Minuskeln berufen, um diesem Mann das Leben zu erhalten.
    »Grabt ihn aus«, befahl sie. »Ich begnadige ihn.«
    Jetzt hatte Sprachlosigkeit den Pfalzgrafen erfasst. Stotternd erklärte er, nur dem Kaiser stehe dieses Recht zu.
    »Der Kaiser hält Reichstag. Ich vertrete ihn hier. Sofort ausgraben!«
    Aus der Menschenmenge trat ein Mann mit wildem schwarzen Bart hervor, verneigte sich vor Judith und erklärte, als Geschädigter ein Recht auf Vergeltung zu haben.
    »Wer ist dieser Mann?«, fragte Judith den Pfalzgrafen.
    »Der Bruder des Diebs.«
    »Halbbruder«, mischte sich der Schwarzbärtige ein. »Dieser Lump entstammt der zweiten Ehe meines Vaters und hat sich an meinem Erbteil vergriffen!« Er deutete auf einen großen Feldstein in der Nähe. »Seit Wochen schiebt er ihn Nacht für Nacht weiter auf mein Gebiet! Hätten meine Freunde und ich ihn vorgestern nicht dabei erwischt, wäre ich bald ein armer Mann geworden!«
    »Aber du hast ihn erwischt. Grabt den Mann aus, stellt den Stein wieder da auf, wo er hingehört, und schließt Frieden«, sagte Judith. »Nach einer Nacht in der Erde wird dich dein Bruder gewiss nicht wieder betrügen.«
    »Nach dem Gesetz, hohe Frau«, meldete sich der Pfalzgraf wieder zu Wort, »hat dieser Mann durch sein Verbrechen das Recht auf freies Leben und sein Eigentum verwirkt. Er ist nicht mehr Allodist, eine Begnadigung würde ihn als gänzlich Unfreien ins Unglück stürzen. Er würde des Hungers sterben. Da ist es doch gnädiger, ihn gleich zu töten.«
    Zustimmendes Gemurmel der Umstehenden. Sie fanden es von der Kaiserin unerhört, ihnen ein Schauspiel vorenthalten zu wollen, das höchst selten geboten wurde.
    »Grabt ihn aus, und gebt ihn uns«, sagte Judith kurz angebunden. »Als Knecht kann er sich am Hof nützlich machen. Ich warte dort drüben.« Sie deutete auf den Grenzstein.
    Ohne sich um weitere Einwände des Pfalzgrafen oder unmutige Stimmen aus der Menge zu kümmern, wandte sie sich um und kehrte zu ihrem still grasenden Pferd zurück. Am Zügel führte sie es zu dem umstrittenen Stein und stieg dort mit Ruadberns Hilfe wieder auf.
    »Siehst du«, sagte sie zu ihrem Edelknecht, »unser Ausritt hat ein Leben gerettet.«
    »Falls er lebend aus dem Loch kommt«, warf Ruadbern ein und schickte einen bezeichnenden Blick zu der Stelle, wo jetzt mit Hacken und Schaufeln sehr unbekümmert umgegangen wurde. Judith ritt sofort hinüber, befahl, Vorsicht walten zu lassen, und verharrte neben der Ausgrabungsstätte. Der Schwarzbärtige rührte keinen Finger und verwünschte seinen Bruder.
    Nur wegen eines winzigen Stückchen Landes werden aus Brüdern derartige Feinde, dass der eine des anderen Tod fordert, dachte sie erschüttert. Halbbrüder. Sie fasste sich an den Bauch, in dem möglicherweise der Halbbruder dreier Söhne aus erster Ehe heranwuchs. Sie erschauerte.
    Als der Begnadigte aus der Erde gezogen wurde, konnte er sich nicht auf den Beinen halten

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