Die Welfenkaiserin
mit unseren treusten Vasallen zu verheiraten!«
Auf dem Weg zum Reichstag schenkte Ludwig weder der schnell wachsenden Frankfurter Pfalz einen Blick noch möglichen Schwiegersöhnen künftiger Töchter einen Gedanken. Judiths Verhalten beunruhigte ihn. Fast wie eine Wahnsinnige war ihm die Frau erschienen, die sonst in allen Lebenslagen Gelassenheit ausstrahlte und stets Vernunft walten ließ. Einen solch unversöhnlichen Hass auf Bernhard hatte sie noch nie gezeigt. Dahinter steckten doch nicht die üblichen Streitigkeiten! Verschwieg ihm Judith etwas? Oder hatte sein unverheirateter Patensohn nicht begriffen, wie nachsichtig mit Schwangeren umzugehen war? Es wurde endlich Zeit, dass Bernhard heiratete! Auch ihm, Ludwig, verlangte Judiths Schwangerschaft diesmal besonders viel ab. Er wünschte sich die liebevolle, fröhliche Frau zurück, die er kannte.
Und endlich noch besser kennenlernen wollte. Wann, fragte sich Ludwig, würde Gott seine Buße gänzlich annehmen und ihm endlich gestatten, in vollem Bewusstsein seiner Sinne den liebreizenden Körper seiner Gemahlin zu genießen? Ein gewisses Entgegenkommen des Himmels hatte er ja bereits in jener Nacht nach seinem zweitägigen Bußgang in Attigny erfahren.
Der Morgen hatte damals schon gegraut, als ihn stürmische Liebkosungen seiner Gemahlin weckten.
»Ludwig, Ludwig«, hatte sie zwischen ihren Küssen gemurmelt, »Ludwig, ich danke dir!«
»Wofür?«, hatte er verschlafen gefragt, sich dann leicht aufgerichtet und in leuchtende Augen geschaut.
»Ich weiß es, Ludwig, diesmal weiß und spüre ich es! Soeben hast du mir einen Sohn gemacht!«
Unwillkürlich griff er nach jenem Körperteil, dessen Beteiligung an der Kinderentstehung unentbehrlich war. Schlaff, warm und ein wenig feuchter als üblich lag das unfügsame Tier an seinem Oberschenkel. Ein Hinweis auf Ermattung nach gelungenem Vollzug?
»Wie wunderbar«, fuhr Judith aufgeregt fort, »dass dir diesmal kein Wein die Erinnerung geraubt hat! Mein Liebster, dein Ungestüm hat mich überwältigt! Versprichst du, beim nächsten Mal behutsamer mit mir umzugehen?«
»Es tut mir leid«, murmelte Ludwig, gemartert von dem Gedanken, dass es ihm abermals nicht vergönnt gewesen war, sein Ungestüm bewusst erlebt zu haben. Er brachte es nicht übers Herz, dies Judith zu gestehen. Doch in zweierlei Hinsicht hatte ihn diese Nacht beruhigt. Er hatte nach den beiden Fastentagen seiner Buße am Abend nur wenige Schlucke Wein zu sich genommen. Das bedeutete, dass er auch ohne anregendes Getränk nicht nur bei den Mägden, sondern auch bei der geliebten Gemahlin seinen Mann stehen konnte. Viel wichtiger war ihm aber etwas anderes. Er liebte und vertraute Judith, doch nachdem sie ihm monatelang ihre erste Schwangerschaft verheimlicht hatte, war leiser Zweifel in ihm aufgestiegen. Als sie sich ihm endlich offenbarte, hatte er verstohlen beobachtet, ob sie irgendeinem der Edlen am Hof besondere Gunst zu erweisen schien, und kurzzeitig gar seinen eigenen Sohn Lothar in Verdacht gehabt. Diese Befürchtung zerstreute sich, als er dahinterkam, dass die eifersüchtige Irmingard ihren Mann überwachen ließ. Das wiederum hatte ihn auf den Gedanken gebracht, den kleinen Ruadbern für ähnliche Zwecke einzusetzen.
Er ließ also Judiths Edelknecht zu sich kommen und deutete an, dass er um die Sicherheit seiner Gemahlin fürchte. Wie der Knabe wisse, reite sie oft unbekümmert durch die Gegend, begebe sich an Orte, wo ihr etwas zustoßen könne, oder gehe mit Menschen um, die ihr schaden könnten. Da er Judith selbst mit seiner Sorge nicht beunruhigen wolle, bitte er Ruadbern, ihr stets unauffällig zu folgen und ihm, dem Kaiser, über ihre Aufenthaltsorte und alle Menschen, mit denen sie zusammenkomme, Bericht zu erstatten. Der Knabe hatte ihn aus seinen dunklen Augen so lange schweigend gemustert, dass Ludwig schon befürchtete, er habe sich allzu deutlich ausgedrückt.
Aber schließlich hatte Ruadbern bedachtsam genickt und versichert, er habe der Herrin sein Leben geweiht. Er schwor, ihr überallhin zu folgen, sie notfalls auch vor sich selbst zu schützen und den Kaiser über alles, was er wissen müsse, in Kenntnis zu setzen.
Es klang wie ein Treueid, und Ludwig war zutiefst gerührt. Es hatte sich wahrlich ausgezahlt, den Sohn seiner Schwester Hruodhaid in seinem Haushalt aufzunehmen!
Während er jetzt den Wachen vor der Aula zunickte, schmunzelte er. Ruadberns geradezu unerträglich ausführliche und erschöpfende
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