Die Welfenkaiserin
Galle herunter, und dann sprudelte es aus ihr heraus. Wie seit dem elenden Bußgang in Attigny jeder tue, wonach es ihm beliebe, es alle an Achtung und Ehrfurcht fehlen ließen, Lothar sich ohne Wissen Ludwigs vom Papst zum Kaiser weihen und salben lasse …
Ludwig unterbrach sie, warf ein, Lothars Krönung und Salbung in Rom festige den Bund zwischen Papst und Kaiser und sei völlig in Ordnung. Sie möge ihm doch bitte den tatsächlichen Grund ihres Aufgebrachtseins nennen. Und da erst fiel ihr wieder ein, weshalb sie Bernhard überhaupt aufgesucht hatte.
»Ich habe Angst um unser Kind«, flüsterte sie. Der Sohn, den sie möglicherweise erwartete, bedeutete für ihren Gemahl nur einen weiteren männlichen Nachfahren. Ludwig war erheblich älter als sie und würde aller Voraussicht nach lange vor ihr sterben. Das Reich war bereits aufgeteilt – was also würde ihrem Sohn bleiben? Ein kleines Stück Land, das ihm seine Brüder vielleicht erst gnädig gewähren und danach mühelos wieder abjagen würden. Und ihn dann bis zum Kinn in die Erde eingraben … »Lothar zittert davor, dass ich dir einen Sohn schenke«, schloss sie ihre Rede mit zaghafter Stimme.
Seltsame Anwandlungen einer Frau guter Hoffnung, dachte Ludwig, bat sie wieder, sich nicht so zu erregen, und sagte dann: »Weshalb sollte Lothar zittern? Als dem Ältesten steht ihm ohnehin das meiste zu.«
Wie Arnes Bruder, dachte Judith betroffen. Ludwig bat sie, ihr Herz nicht mit unnützen Sorgen zu beschweren. Er werde Bernhard zu ihr schicken, der doch stets Ordnung in ihre verworrenen Gedanken zu bringen und sie zu beruhigen verstehe.
»Halt ihn mir vom Leib!«, brach es aus Judith heraus. So nahe an der Wahrheit bleiben wie möglich. Das hatte ihr Bernhard selbst immer eingetrichtert. Und so erfand sie Beleidigungen, Anwürfe und Unerträglichkeiten, die sie von Bernhard erfahren hatte. Der Graf von Barcelona habe es ihr gegenüber an Achtung gebrechen lassen, sie wie ein dummes Kind behandelt, und seine Gegenwart bereite ihr Übelkeit. Sie wolle ihn nie wieder sehen; Ludwig solle ihn vom Hof jagen.
Und sie, sie selbst, würde ihm einen Meuchler hinterherschicken, dachte sie voller Ingrimm.
Ludwig unterdrückte einen Seufzer. Immer wenn Judith die Argumente ausgingen, berief sie sich auf eine Auseinandersetzung mit ihrem Lehrer Bernhard. Der es derzeit bestimmt auch nicht leicht mit ihr hatte. »Bernhard ist unser Freund«, erinnerte er Judith. »Ohne seine Lehren wärest du mir als Beraterin eine weitaus geringere Hilfe; hast du das vergessen?«
»Keinesfalls«, entgegnete sie. »Aber er widert mich an.«
»Doch nicht zum ersten Mal!«
»Ich mag ihn nicht mehr um mich haben! Seine Hässlichkeit könnte unserem Kind schaden.«
»Das ist Aberglauben«, wies Ludwig sie ruhig zurecht. Als seine erste Gemahlin mit Lothar schwanger gewesen war, hatte er auf ihren Wunsch aus genau diesem Grund seinen grimmig aussehenden Lieblingshund erstochen.
»Du erwartest von mir hoffentlich nicht, dass ich ihn umbringe!«
Doch, hätte Judith beinahe gesagt. Sie mühte sich, über Ludwigs scherzhaft gemeinte Äußerung zu lächeln. »Es reicht, wenn du ihn mir so schnell wie möglich aus den Augen schaffst!«
»Ich bin für meinen Patensohn verantwortlich und kann ihn doch nicht wegen einer Verstimmung deinerseits in die Verbannung schicken!«, erklärte Ludwig bestimmt, nur um gleich, als er sich vom Bettrand erhob, mit sanfter Stimme fortzufahren: »Aber als Graf von Barcelona sollte er sich mit seiner Stadt besser vertraut machen. Er wird noch morgen abreisen und sich dort umsehen. Zufrieden?«
»Das ist es!«, rief Judith und schien mit einem Mal hocherfreut zu sein.
»Wie meinst du das?«, fragte der Kaiser verdutzt über den Stimmungswandel, »die schnelle Abreise?«
»Nicht doch. So wichtig ist mir Bernhard nicht. Aber wir machen Lothar zum Taufpaten unseres Sohnes! Dann ist er für ihn verantwortlich und muss sich wie ein leiblicher Vater um Schutz und Ausstattung seines Patenkindes kümmern! Dann darf er ihm nicht schaden!«
»Wieso sollte Lothar seinem Bruder überhaupt schaden wollen?«, entgegnete Ludwig müde und setzte hinzu: »Unsere Gisela ist ein wunderhübsches kleines Mädchen. Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir ein halbes Dutzend solch niedlicher Wesen schenken würdest.«
Er hat Angst vor einem weiteren Sohn, dachte Judith betroffen, erklärte aber bemüht munter: »Wunderbar. Du denkst gewiss daran, all diese Mädchen später
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