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Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Titel: Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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kommt.«
    Jolly nickte halbherzig und suchte nach den richtigen Worten, als Munk hinzufügte: »Du musst den Befehl nicht aussprechen. Denk ihn dir einfach.«
    »Aber auf der Insel, da hast du irgendwelche Worte benutzt… in einer fremden Sprache .«
    »Der Geisterhändler hat’s mir erklärt. Aber jetzt muss es halt ohne das gehen.«
    Du hast gut reden, dachte Jolly. »Dann sag du die Worte.«
    »Diese Geister gehorchen dir, nicht mir.«
    »Aber ich kenne den verdammten Spruch nicht!«
    Munk seufzte. »So einfach ist das nicht. Die Worte müssen aus dir selbst kommen, du musst deine Gedanken und deine Konzentration in Silben fassen, die tief aus deinem Inneren -«
    Walker verdrehte die Augen. »Könntet ihr beiden einfach den Mund halten? Das ist ja ein Gefasel wie in der Kirche.«
    Jolly schenkte ihm einen giftigen Blick. »Als hättest du in deinem Leben jemals eine Kirche von innen gesehen.«
    »Ich hab mal eine geplündert.«
    »Da!«, rief Soledad. »Es hat aufgehört!«
    Keiner atmete. Alle horchten.
    Die Piratenprinzessin behielt Recht. Das Krabbeln und Scharren am Rumpf der Carfax war verstummt. Nur das Rauschen der Wellen war zu hören, die Gischt am Bug des Schiffes, das Knarren der Planken und Wanten.
    »Sind sie weg?«, flüsterte Griffin.
    Walker machte zwei rasche Sätze zur Reling, schaute ins Wasser und machte eine herrische Handbewegung. »Ruhe!«
    Erneut schwiegen sie. Lauschten. Und warteten.
    Soledad entspannte sich als Erste. »So lange hält kein Klabauter still.«
    Buenaventure nickte, doch Walker verwies sie alle mit einer Geste auf ihre Plätze.
    Munk starrte auf seine Pistole, als hätte er mit einem Mal keine Ahnung mehr, wie sie in seine Hand gekommen war. »Ich komme rüber zur Reling.«
    »Nein!« Walkers Tonfall ließ keinen Widerspruch gelten. »Hier gibt’s nichts zu sehen. Klabauter bleiben immer unter der Wasseroberfläche. Falls sie angreifen, dann tun sie das durch den Rumpf. Aber wir würden es merken, wenn wir bereits ein Leck hätten.« Er grinste schief. »Außerdem würde uns das Geschrei eurer Freunde im Laderaum warnen.«
    Die Gerüchte behaupteten etwas anderes. Jeder Angriff der Tiefen Stämme auf ein Schiff - falls sie denn einen wagten - begann damit, dass die Häuptlinge über die Reling kletterten. Erst danach machten sich die übrigen Klabauter daran, den Rumpf zu durchbrechen. Die oberste Regel bei einem Klabauterangriff war daher immer, zuallererst das Deck im Auge zu behalten. Solange dort keiner der besonders großen und hässlichen Klabauter auftauchte, galt der Rumpf als sicher.
    Walker musste das wissen. Warum aber versuchte er dann, Munk von einem Blick über die Reling abzuhalten? Jolly konnte sich darauf keinen Reim machen.
    Es sei denn, Walker hatte etwas gesehen - und wollte verhindern, dass Panik ausbrach!
    Eine eiskalte Hand strich über ihren Rücken. Ihre Knie, eben noch fast taub, begannen abermals zu zittern.
    Sie verließ die Formation und preschte vorwärts zur Reling.
    »Kröte!«, brüllte Walker. »Tu das nicht!«
    Sie hörte ihn nicht mehr. Ihre Finger krallten sich um das Holz, als wollte sie es aus der Verankerung reißen.
    Das Wasser der Karibischen See, so sagt man, ist klarer als irgendein anderes Gewässer der sieben Meere. In diesem Moment aber wünschte sich Jolly die trübste Brühe der Welt herbei.
    Sie konnte etwa zwanzig, fünfundzwanzig Fuß tief blicken, und was sie sah, drehte ihr fast den Magen um.
    Durch das Wasser zogen Klabauter. Die See war voll von ihnen, direkt unter der Oberfläche ebenso wie in den dunkleren, kälteren Tiefen. Jolly bezweifelte nicht, dass auch dort, wohin sie nicht blicken konnte, weitere Klabauter schwammen. Tausende von ihnen.
    Es war eine Armee. Hundert Armeen.
    Die Tiefen Stämme sammelten sich und zogen in südwestliche Richtung - auf demselben Kurs, den auch die Carfax nahm.
    »Warum greifen sie nicht an?«, fragte Griffin.
    Jolly war noch immer wie betäubt, sie hatte nicht bemerkt, dass er neben sie getreten war. Jetzt stand Griffin links von ihr, Munk zu ihrer Rechten. Auch die Erwachsenen beugten sich über die Reling.
    »Es wäre besser, keiner von euch hätte das gesehen«, raunte Walker. »Es genügt, wenn einer allein in den nächsten Tagen kein Auge zutut.«
    Jolly hatte zu viel anderes im Kopf, als sich jetzt über Walkers Rücksichtnahme zu wundern. Womöglich hatte sie ihn dennoch falsch eingeschätzt. Nicht gänzlich falsch. Aber immerhin ein wenig.
    Der Strom der Klabauterarmee

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