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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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ist; wie überhaupt die Historienmalerei und das Drama die Idee des vom vollen Erkennen beleuchteten Willens zum Objekt haben. – Wir wollen nunmehr die Künste einzeln durchgehn, wodurch eben die aufgestellte Theorie des Schönen Vollständigkeit und Deutlichkeit erhalten wird.

    § 43
    Die Materie als solche kann nicht Darstellung einer Idee seyn. Denn sie ist, wie wir im ersten Buche fanden, durch und durch Kausalität: ihr Seyn ist lauter Wirken. Kausalität aber ist Gestaltung des Satzes vom Grunde: Erkenntniß der Idee hingegen schließt wesentlich den Inhalt jenes Satzes aus. Auch fanden wir im zweiten Buch die Materie als das gemeinsame Substrat aller einzelnen Erscheinungen der Ideen, folglich als das Verbindungsglied zwischen der Idee und der Erscheinung oder dem einzelnen Ding. Also aus dem einen sowohl, als aus dem andern Grunde kann die Materie für sich keine Idee darstellen. A posteriori aber bestätigt sich dieses dadurch, daß von der Materie als solcher gar keine anschauliche Vorstellung, sondern nur ein abstrakter Begriff möglich ist: in jener nämlich stellen allein die Formen und Qualitäten sich dar, deren Trägerin die Materie ist, und in welchen allen sich Ideen offenbaren. Dieses entspricht auch Dem, daß Kausalität (das ganze Wesen der Materie) für sich nicht anschaulich darstellbar ist, sondern allein eine bestimmte Kausalverknüpfung. – Dagegen muß andererseits jede Erscheinung einer Idee, da sie als solche eingegangen ist in die Form des Satzes vom Grund, oder in das principium individuationis , an der Materie, als Qualität derselben, sich darstellen. Insofern ist also, wie gesagt, die Materie das Bindungsglied zwischen der Idee und dem principio individuationis , welches die Form der Erkenntniß des Individuums, oder der Satz vom Grund ist. – Plato hat daher ganz richtig neben der Idee und ihrer Erscheinung, dem einzelnen Dinge, welche Beide sonst alle Dinge der Welt unter sich begreifen, nur noch die Materie als ein drittes, von Beiden Verschiedenes aufgestellt (Timaeus, S. 345). Das Individuum ist, als Erscheinung der Idee, immer Materie. Auch ist jede Qualität der Materie immer Erscheinung einer Idee, und als solche auch einer ästhetischen Betrachtung, d.i. Erkenntniß der in ihr sich darstellenden Idee, fähig. Dies gilt nun selbst von den allgemeinsten Qualitäten der Materie, ohne welche sie nie ist, und deren Ideen die schwächste Objektität des Willens sind. Solche sind: Schwere, Kohäsion, Starrheit, Flüssigkeit, Reaktion gegen das Licht u.s.f.
    Wenn wir nun die Baukunst , bloß als schöne Kunst, abgesehn von ihrer Bestimmung zu nützlichen Zwecken, in welchen sie dem Willen, nicht der reinen Erkenntniß dient und also nicht mehr Kunst in unserm Sinne ist, betrachten; so können wir ihr keine andere Absicht unterlegen, als die, einige von jenen Ideen, welche die niedrigsten Stufen der Objektität des Willens sind, zu deutlicher Anschaulichkeit zu bringen: nämlich Schwere, Kohäsion, Starrheit, Härte, diese allgemeinen Eigenschaften des Steines, diese ersten, einfachsten, dumpfesten Sichtbarkeiten des Willens, Grundbaßtöne der Natur; und dann neben ihnen das Licht, welches in vielen Stücken ein Gegensatz jener ist. Selbst auf dieser tiefen Stufe der Objektität des Willens sehn wir schon sein Wesen sich in Zwietracht offenbaren: denn eigentlich ist der Kampf zwischen Schwere und Starrheit der alleinige ästhetische Stoff der schönen Architektur: ihn auf mannigfaltige Weise vollkommen deutlich hervortreten zu lassen, ist ihre Aufgabe. Sie löst solche, indem sie jenen unvertilgbaren Kräften den kürzesten Weg zu ihrer Befriedigung benimmt und sie durch einen Umweg hinhält, wodurch der Kampf verlängert und das unerschöpfliche Streben beider Kräfte auf mannigfaltige Weise sichtbar wird. – Die ganze Masse des Gebäudes würde, ihrer ursprünglichen Neigung überlassen, einen bloßen Klumpen darstellen, so fest als möglich dem Erdkörper verbunden, zu welchem die Schwere, als welche hier der Wille erscheint, unablässig drängt, während die Starrheit, ebenfalls Objektität des Willens, widersteht. Aber eben diese Neigung, dieses Streben, wird von der Baukunst an der unmittelbaren Befriedigung verhindert und ihm nur eine mittelbare, auf Umwegen, gestattet. Da kann nun z.B. das Gebälk nur mittelst der Säule die Erde drücken; das Gewölbe muß sich selbst tragen und nur durch Vermittelung der Pfeiler kann es sein Streben zur Erdmasse hin befriedigen

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