Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
jene für die selbe Idee, da, wo ihr die Flüssigkeit, d.h. Formlosigkeit, leichteste Verschiebbarkeit, Durchsichtigkeit, beigesellt ist. Schäumend und brausend über Felsen stürzende Wasserfälle, still zerstäubende Katarakte, als hohe Wassersäulen emporstrebende Springbrunnen und klarspiegelnde Seen offenbaren die Ideen der flüssigen schweren Materie gerade so, wie die Werke der Baukunst die Ideen der starren Materie entfalten. An der nützlichen Wasserleitungskunst findet die schöne keine Stütze; da die Zwecke dieser sich mit den ihrigen, in der Regel, nicht vereinigen lassen, sondern dies nur ausnahmsweise Statt findet, z.B. in der Cascata di Trevi zu Rom. 61
§ 44
Was für jene untersten Stufen der Objektität des Willens die zwei erwähnten Künste leisten, das leistet für die höhere Stufe der vegetabilischen Natur gewissermaaßen die schöne Gartenkunst. Die landschaftliche Schönheit eines Fleckes beruht großentheils auf der Mannigfaltigkeit der auf ihm sich beisammenfindenden natürlichen Gegenstände, und sodann darauf, daß diese sich rein aussondern, deutlich hervortreten und doch in passender Verbindung und Abwechselung sich darstellen. Diese beiden Bedingungen sind es, denen die schöne Gartenkunst nachhilft: jedoch ist sie ihres Stoffes lange nicht so sehr Meister, wie die Baukunst des ihrigen, und daher ihre Wirkung beschränkt. Das Schöne, was sie vorzeigt, gehört fast ganz der Natur: sie selbst hat wenig dazu gethan: und andererseits kann sie gegen die Ungunst der Natur sehr wenig ausrichten, und wo ihr diese nicht vor-sondern entgegenarbeitet, sind ihre Leistungen gering.
Sofern also die Pflanzenwelt, welche ohne Vermittelung der Kunst sich überall zum ästhetischen Genüsse anbietet, Objekt der Kunst ist, gehört sie hauptsächlich der Landschaftsmalerei an. Im Gebiete dieser liegt mit ihr auch die ganze übrige erkenntnißlose Natur. – Beim Stillleben und gemalter bloßer Architektur, Ruinen, Kirche von innen u. dgl. ist die subjektive Seite des ästhetischen Genusses die überwiegende: d.h. unsere Freude daran liegt nicht hauptsächlich in der Auffassung der dargestellten Ideen unmittelbar, sondern mehr im subjektiven Korrelat dieser Auffassung, in dem reinen willenlosen Erkennen; da, indem der Maler uns die Dinge durch seine Augen sehn läßt, wir hier zugleich eine Mitempfindung und das Nachgefühl der tiefen Geistesruhe und des gänzlichen Schweigens des Willens erhalten, welche nothig waren, um die Erkenntniß so ganz in jene leblosen Gegenstände zu versenken und sie mit solcher Liebe, d.h. hier mit solchem Grade der Objektivität, aufzufassen. – Die Wirkung der eigentlichen Landschaftsmalerei ist nun zwar im Ganzen auch noch von dieser Art: allein weil die dargestellten Ideen, als höhere Stufen der Objektivation des Willens, schon bedeutsamer und vielsagender sind; so tritt die objektive Seite des ästhetischen Wohlgefallens schon mehr hervor und hält der subjektiven das Gleichgewicht, Das reine Erkennen als solches ist nicht mehr ganz die Hauptsache; sondern mit gleicher Macht wirkt die erkannte Idee, die Welt als Vorstellung auf einer bedeutenden Stufe der Objektivation des Willens.
Aber eine noch viel höhere Stufe offenbart die Thiermalerei und Thierbildhauerei, von welcher letzteren wir bedeutende antike Ueberreste haben, z.B. Pferde, in Venedig, auf Monte cavallo , auf den Elginschen Reliefs, auch zu Florenz, in Bronce und Marmor, eben daselbst der antike Eber, die heulenden Wölfe, ferner die Löwen am Arsenal zu Venedig, auch im Vatikan ein ganzer Saal voll meist antiker Thiere u.s.w. Bei diesen Darstellungen erhält nun die objektive Seite des ästhetischen Wohlgefallens ein entschiedenes Uebergewicht über die subjektive. Die Ruhe des diese Ideen erkennenden Subjekts, das den eigenen Willen beschwichtigt hat, ist zwar, wie bei jeder ästhetischen Betrachtung, vorhanden; aber ihre Wirkung wird nicht empfunden: denn uns beschäftigt die Unruhe und Heftigkeit des dargestellten Willens. Es ist jenes Wollen, welches auch unser Wesen ausmacht, das uns hier vor Augen tritt, in Gestalten, in denen seine Erscheinung nicht, wie in uns, durch die Besonnenheit beherrscht und gemildert ist, sondern sich in starkem Zügen und mit einer Deutlichkeit, die an das Grotteske und Monströse streift, darstellt, dafür aber auch ohne Verstellung, naiv und offen, frei zu Tage liegend, worauf gerade unser Interesse an den Thieren beruht. Das Charakteristische der Gattungen trat
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