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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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will, das selbe geblieben: bloß über die Wege, auf welchen es zu erlangen, hat er andere Gedanken erhalten, und imaginäre Motive leiten ihn gleich wirklichen. Daher z.B. ist es in Hinsicht auf seinen ethischen Werth gleich viel, ob er große Schenkungen an Hülflose macht, fest überredet in einem künftigen Leben alles zehnfach wieder zu erhalten, oder ob er die selbe Summe auf Verbesserung eines Landgutes verwendet, das zwar späte, aber desto sicherere und erklecklichere Zinsen tragen wird; – und ein Mörder, so gut wie der Bandit, welcher dadurch einen Lohn erwirbt, ist auch Der, welcher rechtgläubig den Ketzer den Flammen überliefert; ja sogar, nach inneren Umständen, auch Der, welcher die Türken im Gelobten Lande erwürgt, wenn er nämlich, wie auch Jener, es eigentlich darum thut, weil er sich dadurch einen Platz im Himmel zu erwerben vermeint. Denn nur für sich, für ihren Egoismus, wollen ja Diese sorgen, eben wie auch jener Bandit, von dem sie sich nur durch die Absurdität der Mittel unterscheiden. – Von außen ist, wie schon gesagt, dem Willen immer nur durch Motive beizukommen: diese aber ändern bloß die Art wie er sich äußert, nimmermehr ihn selbst, Velle non discitur.
    Bei guten Thaten, deren Ausüber sich auf Dogmen beruft, muß man aber immer unterscheiden, ob diese Dogmen auch wirklich das Motiv dazu sind, oder ob sie, wie ich oben sagte, nichts weiter, als die scheinbare Rechenschaft sind, durch die Jener seine eigene Vernunft zu befriedigen sucht, über eine aus ganz anderer Quelle fließende gute That, die er vollbringt, weil er gut ist, aber nicht gehörig zu erklären versteht, weil er kein Philosoph ist, und dennoch etwas dabei denken möchte. Der Unterschied ist aber sehr schwer zu finden, weil er im Innern des Gemüthes liegt. Daher können wir fast nie das Thun Anderer und selten unser eigenes moralisch richtig beurtheilen. – Die Thaten und Handlungsweisen des Einzelnen und eines Volkes können durch Dogmen, Beispiel und Gewohnheit sehr modificirt werden. Aber an sich sind alle Thaten (opera operata) bloß leere Bilder, und allein die Gesinnung, welche zu ihnen leitet, giebt ihnen moralische Bedeutsamkeit. Diese aber kann wirklich ganz die selbe seyn, bei sehr verschiedener äußerer Erscheinung. Bei gleichem Grade von Bosheit kann der Eine auf dem Rade, der Andere ruhig Im Schooße der Seinigen sterben. Es kann der selbe Grund von Bosheit seyn, der sich bei einem Volke in groben Zügen, in Mord und Kannibalismus, beim andern hingegen in Hofintriguen, Unterdrückungen und feinen Ränken aller Art fein und leise en miniature ausspricht: das Wesen bleibt das selbe. Es ließe sich denken, daß ein vollkommener Staat, oder sogar vielleicht auch ein vollkommen fest geglaubtes Dogma von Belohnungen und Strafen jenseit des Todes, jedes Verbrechen verhinderte: politisch wäre dadurch viel, moralisch gar nichts gewonnen, vielmehr nur die Abbildung des Willens durch das Leben gehemmt.
    Die ächte Güte der Gesinnung, die uneigennützige Tugend und der reine Edelmuth gehn also nicht von abstrakter Erkenntniß aus, aber doch von Erkenntniß: nämlich von einer unmittelbaren und intuitiven, die nicht wegzuräsonniren und nicht anzuräsonniren ist, von einer Erkenntniß, die eben weil sie nicht abstrakt ist, sich auch nicht mittheilen läßt, sondern Jedem selbst aufgehn muß, die daher ihren eigentlich adäquaten Ausdruck nicht in Worten findet, sondern ganz allein in Thaten, im Handeln, im Lebenslauf des Menschen. Wir, die wir hier von der Tugend die Theorie suchen und daher auch das Wesen der ihr zum Grunde liegenden Erkenntniß abstrakt auszudrücken haben, werden dennoch in diesem Ausdruck nicht jene Erkenntniß selbst liefern können, sondern nur den Begriff derselben, wobei wir immer vom Handeln, in welchem allein sie sichtbar wird, ausgehn und auf dasselbe, als ihren allein adäquaten Ausdruck verweisen, welchen wir nur deuten und auslegen, d.h. abstrakt aussprechen, was eigentlich dabei vorgeht.
    Bevor wir nun, im Gegensatz des dargestellten Bösen, von der eigentlichen Güte reden, ist, als Zwischenstufe, die bloße Negation des Bösen zu berühren: dieses ist die Gerechtigkeit . Was Recht und Unrecht sei, ist oben hinlänglich auseinandergesetzt: daher wir hier mit Wenigem sagen können, daß Derjenige, welcher jene bloß moralische Gränze zwischen Unrecht und Recht freiwillig anerkennt und sie gelten läßt, auch wo kein Staat oder sonstige Gewalt sie sichert, folglich,

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