Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
Begriffe, d. i. abstrakter, nichtanschaulicher Vorstellungen ist, welche die einzige Funktion der Vernunft ausmacht, wie ich im ersten Buch gezeigt habe. Ich verlange demnach, daß wir von den Kategorien elf zum Fenster hinauswerfen und allein die der Kausalität behalten, jedoch einsehn, daß ihre Thätigkeit schon die Bedingung der empirischen Anschauung ist, welche sonach nicht bloß sensual, sondern intellektual ist, und daß der so angeschaute Gegenstand, das Objekt der Erfahrung, Eins sei mit der Vorstellung, von welcher nur noch das Ding an sich zu unterscheiden ist.
Nach in verschiedenen Lebensaltern wiederholtem Studium der »Kritik der reinen Vernunft« hat sich mir über die Entstehung der transscendentalen Logik eine Ueberzeugung aufgedrängt, die ich, als zum Verständniß derselben sehr förderlich, hier mittheile. Auf objektive Auffassung und höchste menschliche Besonnenheit gegründete Entdeckung ist ganz allein das Apperçu , daß Zeit und Raum a priori von uns erkannt werden. Durch diesen glücklichen Fund erfreut, wollte Kant die Ader desselben noch weiter verfolgen, und seine Liebe zur architektonischen Symmetrie gab ihm den Leitfaden. Wie er nämlich der empirischen Anschauung eine reine Anschauung a priori als Bedingung untergelegt gefunden hatte; eben so, meinte er, würden auch wohl den empirisch erworbenen Begriffen gewisse reine Begriffe als Voraussetzung in unserm Erkenntnißvermögen zum Grunde liegen, und das empirische wirkliche Denken allererst durch ein reines Denken a priori , welches an sich aber gar keine Gegenstände hätte, sondern sie aus der Anschauung nehmen müßte, möglich seyn; so daß, wie die transscendentale Aesthetik eine Grundlage a priori der Mathematik nachweist, es auch für die Logik eine solche geben müßte; wodurch alsdann jene erstere an einer transscendentalen Logik symmetrisch einen Pendant erhielte. Von jetzt an war Kant nicht mehr unbefangen, nicht mehr im Zustande des reinen Forschens und Beobachtens des im Bewußtseyn Vorhandenen; sondern er war durch eine Voraussetzung geleitet, und verfolgte eine Absicht, nämlich die, zu finden was er voraussetzte, um auf die so glücklich entdeckte transscendentale Aesthetik eine ihr analoge, also ihr symmetrisch entsprechende, transscendentale Logik als zweites Stockwerk aufzusetzen. Hiezu nun verfiel er auf die Tafel der Urtheile, aus welcher er, so gut es gehn wollte, die Kategorientafel bildete, als die Lehre von zwölf reinen Begriffen a priori , welche die Bedingung unsers Denkens eben der Dinge seyn sollten, deren Anschauung durch die zwei Formen der Sinnlichkeit a priori bedingt ist: symmetrisch entsprach also jetzt der reinen Sinnlichkeit ein reiner Verstand . Danach nun gerieth er auf noch eine Betrachtung, die ihm ein Mittel darbot, die Plausibilität der Sache zu erhöhen, mittelst der Annahme des Schematismus der reinen Verstandesbegriffe, wodurch aber gerade der ihm selbst unbewußte Hergang seines Verfahrens sich am deutlichsten verräth. Indem er nämlich darauf ausgieng, für jede empirische Funktion des Erkenntnißvermögens eine analoge apriorische zu finden, bemerkte er, daß zwischen unserm empirischen Anschauen und unserm empirischen, in abstrakten nichtanschaulichen Begriffen vollzogenem Denken noch eine Vermittelung, wenn auch nicht immer, doch sehr häufig Statt findet, indem wir nämlich dann und wann vom abstrakten Denken auf das Anschauen zurückzugehn versuchen; aber bloß versuchen, eigentlich um uns zu überzeugen, daß unser abstraktes Denken sich von dem sichern Boden der Anschauung nicht weit entfernt habe, und etwan überfliegend, oder auch zu bloßem Wortkram geworden sei; ungefähr so, wie wir, im Finstern gehend, dann und wann nach der leitenden Wand greifen. Wir gehn alsdann, eben auch nur versuchsweise und momentan, auf das Anschauen zurück, indem wir eine dem uns gerade beschäftigenden Begriffe entsprechende Anschauung in der Phantasie hervorrufen, welche jedoch dem Begriffe nie ganz adäquat seyn kann, sondern ein bloßer einstweiliger Repräsentant desselben ist: über diesen habe ich das Nöthige schon in meiner Abhandlung »Ueber den Satz vom Grunde«, § 28, beigebracht. Kant benennt ein flüchtiges Phantasma dieser Art, im Gegensatz des vollendeten Bildes der Phantasie, ein Schema , sagt, es sei gleichsam ein Monogramm der Einbildungskraft, und behauptet nun, daß, so wie ein solches zwischen unserm abstrakten Denken empirisch erworbener Begriffe und unserer klaren,
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