Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
rationalen Psychologie legt (Kritik der reinen Vernunft, S. 344; v, 402), wird unter der Qualität die Einfachheit der Seele angeführt: diese ist aber gerade eine quantitative Eigenschaft, und zur Bejahung oder Verneinung im Urtheil hat sie gar keine Beziehung. Allein die Quantität sollte ausgefüllt werden durch die Einheit der Seele, die doch in der Einfachheit schon begriffen ist. Dann ist die Modalität auf eine lächerliche Weise hineingezwängt; die Seele stehe nämlich im Verhältniß zu möglichen Gegenständen; Verhältniß gehört aber zur Relation; allein diese ist bereits durch Substanz eingenommen. Sodann werden die vier kosmologischen Ideen, welche der Stoff der Antinomien sind, auf die Titel der Kategorien zurückgeführt; worüber das Nähere weiter unten, bei der Prüfung dieser Antinomien. Mehrere wo möglich noch grellere Beispiele liefert die Tafel der Kategorien der Freiheit! in der »Kritik der praktischen Vernunft«; – ferner in der »Kritik der Urtheilskraft« das erste Buch, welches das Geschmacksurtheil nach den vier Titeln der Kategorien durchgeht; endlich die Metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft, die ganz nach der Kategorientafel zugeschnitten sind, wodurch eben vielleicht das Falsche, welches dem Wahren und Vortrefflichen dieses wichtigen Werkes hin und wieder beigemischt ist, hauptsächlich veranlaßt worden. Man sehe nur am Ende des ersten Hauptstücks, wie die Einheit, Vielheit, Allheit der Richtungen der Linien den nach der Quantität der Urtheile so benannten Kategorien entsprechen soll.
Der Grundsatz der Beharrlichkeit der Substanz ist aus der Kategorie der Subsistenz und Inhärenz abgeleitet. Diese kennen wir aber nur aus der Form der kategorischen Urtheile, d. i. aus der Verbindung zweier Begriffe als Subjekt und Prädikat. Wie gewaltsam ist daher von dieser einfachen, rein logischen Form jener große metaphysische Grundsatz abhängig gemacht! Allein es ist auch nur pro forma und der Symmetrie wegen geschehn. Der Beweis, der hier für diesen Grundsatz gegeben wird, setzt dessen vermeintlichen Ursprung aus dem Verstande und aus der Kategorie ganz bei Seite, und ist aus der reinen Anschauung der Zeit geführt. Aber auch dieser Beweis ist ganz unrichtig. Es ist falsch, daß es in der bloßen Zeit eine Simultaneität und eine Dauer gebe: diese Vorstellungen gehn allererst hervor aus der Vereinigung des Raumes mit der Zeit, wie ich bereits gezeigt habe in der Abhandlung über den Satz vom Grunde, § 18, und noch weiter ausgeführt § 4 gegenwärtiger Schrift; beide Auseinandersetzungen muß ich zum Verständniß des Folgenden voraussetzen. Es ist falsch, daß bei allem Wechsel die Zeit selbst bleibe : vielmehr ist gerade sie selbst das fließende: eine bleibende Zeit ist ein Widerspruch. Kants Beweis ist unhaltbar, so sehr er ihn auch mit Sophismen gestützt hat: ja, er gerath dabei in den handgreiflichsten Widerspruch. Nachdem er nämlich (S. 177; v, 219) das Zugleichseyn fälschlich als einen Modus der Zeit aufgestellt hat, sagt er (S. 183; v, 226) ganz richtig: »Das Zugleichseyn ist nicht ein Modus der Zeit, als in welcher gar keine Theile zugleich sind, sondern alle nach einander.« – In Wahrheit ist im Zugleichseyn der Raum eben so sehr implicirt, wie die Zeit. Denn, sind zwei Dinge zugleich und doch nicht Eins, so sind sie durch den Raum verschieden; sind zwei Zustände eines Dinges zugleich (z.B. das Leuchten und die Hitze des Eisens), so sind sie zwei gleichzeitige Wirkungen eines Dinges, setzen daher die Materie und diese den Raum voraus. Streng genommen ist das Zugleich eine negative Bestimmung, die bloß enthält, daß zwei Dinge, oder Zustände, nicht durch die Zeit verschieden sind, ihr Unterschied also anderweitig zu suchen ist. – Allerdings aber muß unsere Erkenntniß von der Beharrlichkeit der Substanz, d. i. der Materie, auf einer Einsicht a priori beruhen; da sie über allen Zweifel erhaben ist, daher nicht aus der Erfahrung geschöpft seyn kann. Ich leite sie davon ab, daß das Princip alles Werdens und Vergehns, das Gesetz der Kausalität, dessen wir uns a priori bewußt sind, ganz wesentlich nur die Veränderungen , d.h. die successiven Zustände der Materie betrifft, also auf die Form beschränkt ist, die Materie aber unangetastet läßt, welche daher in unserm Bewußtseyn als die keinem Werden noch Vergehn unterworfene, mithin immer gewesene und immer bleibende Grundlage aller Dinge dasteht. Eine tiefere, aus der Analyse unserer
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