Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
Vom Netzwerk:
selbst unmittelbare und sehr große Bedeutung (in ihnen ja objektivirt sich der Wille, das Ding an sich): sie vertreten sich selbst, sprechen sich selbst aus, haben nicht bloß entlehnten Inhalt, wie die Begriffe. Denn über sie herrscht der Satz vom Grunde nur als Gesetz der Kausalität, und bestimmt als solches nur ihre Stelle in Raum und Zeit; nicht aber bedingt er ihren Inhalt und ihre Bedeutsamkeit, wie es bei den Begriffen der Fall ist, wo er vom Grunde des Erkennens gilt. Uebrigens sieht es aus, als ob Kant gerade hier recht eigentlich darauf ausgehn wolle, die anschauliche und die abstrakte Vorstellung zu unterscheiden: er wirft Leibnitzen und Locken vor, jener hätte alles zu abstrakten, dieser zu anschaulichen Vorstellungen gemacht. Aber es kommt doch zu keiner Unterscheidung: und wenn gleich Locke und Leibnitz wirklich jene Fehler begiengen, so fällt Kanten selbst ein dritter, jene beiden umfassender Fehler zur Last, nämlich Anschauliches und Abstraktes dermaaßen vermischt zu haben, daß ein monströser Zwitter von Beiden entstand, ein Unding, von dem keine deutliche Vorstellung möglich ist und welches daher nur die Schüler verwirren, betäuben und in Streit versetzen mußte.

Allerdings nämlich treten mehr noch als irgendwo Denken und Anschauung aus einander in dem besagten Kapitel »Von der Unterscheidung aller Gegenstände in Phänomena und Noumena«: allein die Art dieser Unterscheidung ist hier eine grundfalsche. Es heißt nämlich, S. 253, v, 309: »Wenn ich alles Denken (durch Kategorien) aus einer empirischen Erkenntniß wegnehme; so bleibt gar keine Erkenntniß eines Gegenstandes übrig: denn durch bloße Anschauung wird gar nichts gedacht, und daß diese Affektion der Sinnlichkeit in mir ist, macht gar keine Beziehung von dergleichen Vorstellung auf irgend ein Objekt aus.« – Dieser Satz enthält gewissermaaßen alle Irrthümer Kants in einer Nuß; indem dadurch an den Tag kommt, daß er das Verhältniß zwischen Empfindung, Anschauung und Denken falsch gefaßt hat und demnach die Anschauung, deren Form denn doch der Raum und zwar nach allen drei Dimensionen seyn soll, mit der bloßen, subjektiven Empfindung in den Sinnesorganen identificirt, das Erkennen eines Gegenstandes aber allererst durch das vom Anschauen verschiedene Denken hinzukommen läßt. Ich sage hingegen: Objekte sind zunächst Gegenstände der Anschauung, nicht des Denkens, und alle Erkenntniß von Gegenständen ist ursprünglich und an sich selbst Anschauung: diese aber ist keineswegs bloße Empfindung, sondern schon bei ihr erzeigt der Verstand sich thätig. Das allein beim Menschen, nicht aber bei den Thieren, hinzukommende Denken ist bloße Abstraktion aus der Anschauung, giebt keine von Grund aus neue Erkenntniß, setzt nicht allererst Gegenstände, die vorher nicht dagewesen; sondern ändert bloß die Form der durch die Anschauung bereits gewonnenen Erkenntniß, macht sie nämlich zu einer abstrakten in Begriffen, wodurch die Anschaulichkeit verloren geht, dagegen aber die Kombination derselben möglich wird, welche deren Anwendbarkeit unermeßlich erweitert. Der Stoff unseres Denkens hingegen ist kein anderer, als unsere Anschauungen selbst, und nicht etwas, welches, in der Anschauung nicht enthalten, erst durch das Denken hinzugebracht würde: daher auch muß von Allem, was in unserm Denken vorkommt, der Stoff sich in unserer Anschauung nachweisen lassen; da es sonst ein leeres Denken wäre. Wiewohl dieser Stoff durch das Denken gar vielfältig bearbeitet und umgestaltet wird; so muß er doch daraus wieder hergestellt und das Denken auf ihn zurückgeführt werden können; – wie man ein Stück Gold aus allen seinen Auflösungen, Oxydationen, Sublimationen und Verbindungen zuletzt wieder reducirt und es regulinisch und unvermindert wieder vorlegt. Dem könnte nicht so seyn, wenn das Denken selbst etwas, ja gar die Hauptsache, dem Gegenstande hinzugethan hätte.
    Das ganze darauf folgende Kapitel von der Amphibolie ist bloß eine Kritik der Leibnitzischen Philosophie und als solche im Ganzen richtig, obwohl der ganze Zuschnitt bloß der architektonischen Symmetrie zu Liebe gemacht ist, die auch hier den Leitfaden giebt. So wird, um die Analogie mit dem Aristotelischen Organen herauszubringen, eine transscendentale Topik aufgestellt, die darin besteht, daß man jeden Begriff nach vier Rücksichten überlegen soll, um erst auszumachen, vor welches Erkenntnißvermögen er gehöre. Jene vier Rücksichten aber sind ganz

Weitere Kostenlose Bücher