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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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anschaulichen Vorstellung der empirischen Welt überhaupt geschöpfte Begründung der Beharrlichkeit der Substanz findet man in unserm ersten Buch, § 4, als wo gezeigt worden, daß das Wesen der Materie in der gänzlichen Vereinigung von Raum und Zeit besteht, welche Vereinigung nur mittelst der Vorstellung der Kausalität möglich ist, folglich nur für den Verstand, der nichts, als das subjektive Korrelat der Kausalität ist, daher auch die Materie nie anders als wirkend, d.h. durch und durch als Kausalität erkannt wird, Seyn und Wirken bei ihr Eins ist, welches schon das Wort Wirklichkeit andeutet. Innige Vereinigung von Raum und Zeit, – Kausalität, Materie, Wirklichkeit, – sind also Eines, und das subjektive Korrelat dieses Einen ist der Verstand. Die Materie muß die sich widerstreitenden Eigenschaften der beiden Faktoren, aus denen sie hervorgeht, an sich tragen, und die Vorstellung der Kausalität ist es, die das Widersprechende beider aufhebt und ihr Zusammenbestehn faßlich macht dem Verstande, durch den und für den allein die Materie ist und dessen ganzes Vermögen im Erkennen von Ursache und Wirkung besteht: für ihn also vereinigt sich in der Materie der bestandlose Fluß der Zeit, als Wechsel der Accidenzien auftretend, mit der starren Unbeweglichkeit des Raumes, die sich darstellt als das Beharren der Substanz. Denn vergienge, wie die Accidenzien, so auch die Substanz; so würde die Erscheinung vom Räume ganz losgerissen und gehörte nur noch der bloßen Zeit an: die Welt der Erfahrung wäre aufgelöst, durch Vernichtung der Materie, Annihilation. – Aus dem Antheil also, den der Raum an der Materie, d. i. an allen Erscheinungen der Wirklichkeit hat, – indem er der Gegensatz und das Widerspiel der Zeit ist und daher, an sich und außer dem Verein mit jener, gar keinen Wechsel kennt, – mußte jener Grundsatz von der Beharrlichkeit der Substanz, den Jeder als a priori gewiß anerkennt, abgeleitet und erklärt werden, nicht aber aus der bloßen Zeit, welcher Kant zu diesem Zweck ganz widersinnig ein Bleiben angedichtet hat. –
    Die Unrichtigkeit des jetzt folgenden Beweises der Apriorität und Nothwendigkeit des Gesetzes der Kausalität, aus der bloßen Zeitfolge der Begebenheiten, habe ich ausführlich dargethan in der Abhandlung über den Satz vom Grunde, § 23; darf mich also hier nur darauf berufen 106 . Ganz eben so verhält es sich mit dem Beweise der Wechselwirkung, deren Begriff ich sogar oben als nichtig darstellen mußte. – Auch über die Modalität, von deren Grundsätzen nun die Ausführung folgt, ist schon das Nöthige gesagt. –
    Ich hätte noch manche Einzelheiten in fernerem Verfolg der transscendentalen Analytik zu widerlegen, fürchte jedoch die Geduld des Lesers zu ermüden und überlasse dieselben daher seinem eigenen Nachdenken. Aber immer von Neuem tritt uns in der Kritik der reinen Vernunft jener Haupt- und Grundfehler Kants, welchen ich oben ausführlich gerügt habe, entgegen, die gänzliche Nichtunterscheidung der abstrakten, diskursiven Erkenntniß von der intuitiven. Diese ist es, welche eine beständige Dunkelheit über Kants ganze Theorie des Erkenntnißvermögens verbreitet, und den Leser nie wissen läßt, wovon jedesmal eigentlich die Rede ist; so daß er, statt zu verstehn, immer nur muthmaaßt, indem er das jedesmal Gesagte abwechselnd vom Denken und vom Anschauen zu verstehn versucht, und stets in der Schwebe bleibt. Jener unglaubliche Mangel an Besinnung über das Wesen der anschaulichen und der abstrakten Vorstellung bringt, wie ich sogleich näher erörtern werde, in dem Kapitel »Von der Unterscheidung aller Gegenstände in Phänomena und Noumena« Kanten zu der monströsen Behauptung, daß es ohne Denken, also ohne abstrakte Begriffe, gar keine Erkenntniß eines Gegenstandes gebe, und daß die Anschauung, weil sie kein Denken ist, auch gar kein Erkennen sei und überhaupt nichts, als eine bloße Affektion der Sinnlichkeit, bloße Empfindung! Ja noch mehr, daß Anschauung ohne Begriff ganz leer sei; Begriff ohne Anschauung aber immer noch etwas (S. 253; v, 309). Dies ist nun das gerade Gegentheil der Wahrheit: denn eben Begriffe erhalten alle Bedeutung, allen Inhalt, allein aus ihrer Beziehung auf anschauliche Vorstellungen, aus denen sie abstrahirt, abgezogen, d.h. durch Fallenlassen alles Unwesentlichen gebildet worden; daher, wenn ihnen die Unterlage der Anschauung entzogen wird, sie leer und nichtig sind. Anschauungen hingegen haben an sich

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