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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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überschwänglichen Allgemeinheit (Transscendentalität) nicht an einzelnen Wörtern, sondern an ganzen Klassen von Wörtern ihren Ausdruck haben, indem bei jedem Worte, welches es auch sei, einer von ihnen schon mitgedacht ist; demgemäß man ihre Bezeichnung nicht im Lexikon, sondern in der Grammatik zu suchen hätte? Sollten es also nicht zuletzt jene Unterschiede der Begriffe seyn, vermöge welcher das sie ausdrückende Wort entweder ein Substantiv, oder ein Adjektiv, ein Verbum, oder ein Adverbium, ein Pronomen, eine Präposition, oder sonstige Partikel sei, kurz die partes orationis ? Denn unstreitig bezeichnen diese die Formen, welche alles Denken zunächst annimmt und in denen es sich unmittelbar bewegt: deshalb eben sind sie die -wesentlichen Sprachformen, die Grundbestandtheile jeder Sprache, so daß wir uns keine Sprache denken können, die nicht wenigstens aus Substantiven, Adjektiven und Verben bestände. Diesen Grundformen wären dann diejenigen Gedankenformen unterzuordnen, welche durch die Flexionen jener, also durch Deklination und Konjugation ausgedrückt werden, wobei es in der Hauptsache unwesentlich ist, ob man zur Bezeichnung derselben den Artikel oder das Pronomen zu Hülfe nimmt. Wir wollen jedoch die Sache noch etwas näher prüfen und von Neuem die Frage aufwerfen: welches sind die Formen des Denkens?
    1) Das Denken besteht durchweg aus Urtheilen: Urtheile sind die Fäden seines ganzen Gewebes. Denn ohne Gebrauch eines Verbi geht unser Denken nicht von der Stelle, und so oft wir ein Verbum gebrauchen, urtheilen wir.
    2) Jedes Urtheil besteht im Erkennen des Verhältnisses zwischen Subjekt und Prädikat, die es trennt oder vereint mit mancherlei Restriktionen. Es vereint sie, vom Erkennen der wirklichen Identität Beider an, welche nur bei Wechselbegriffen Statt finden kann; dann im Erkennen, daß das Eine im Andern stets mitgedacht sei, wiewohl nicht umgekehrt, – im allgemein bejahenden Satz; bis zum Erkennen, daß das Eine bisweilen im Andern mitgedacht sei, im partikulär bejahenden Satz. Den umgekehrten Gang gehn die verneinenden Sätze. Demnach muß in jedem Urtheil Subjekt, Prädikat und Kopula, letztere affirmativ, oder negativ, zu finden seyn; wenn auch nicht Jedes von diesen durch ein eigenes Wort, wie jedoch meistens, bezeichnet ist. Oft bezeichnet ein Wort Prädikat und Kopula, wie: »Kajus altert«; bisweilen ein Wort alle Drei, wie: concurritur , d.h. »die Heere werden handgemein«. Hieraus erhellt, daß man die Formen des Denkens doch nicht so geradezu und unmittelbar in den Worten, noch selbst in den Redetheilen zu suchen hat; da das selbe Urtheil in verschiedenen, ja sogar in der selben Sprache durch verschiedene Worte und selbst durch verschiedene Redetheile ausgedrückt werden kann, der Gedanke aber dennoch der selbe bleibt, folglich auch seine Form: denn der Gedanke könnte nicht der selbe seyn, bei verschiedener Form des Denkens selbst. Wohl aber kann das Wortgebilde, bei gleichem Gedanken und gleicher Form desselben, ein verschiedenes seyn: denn es ist bloß die äußere Einkleidung des Gedankens, der hingegen von seiner Form unzertrennlich ist. Also erläutert die Grammatik nur die Einkleidung der Denkformen. Die Redetheile lassen sich daher ableiten aus den ursprünglichen, von allen Sprachen unabhängigen Denkformen selbst: diese, mit allen ihren Modifikationen, auszudrücken ist ihre Bestimmung. Sie sind das Werkzeug derselben, sind ihr Kleid, welches ihrem Gliederbau genau angepaßt seyn muß, so daß dieser darin zu erkennen ist.
    3) Diese wirklichen, unveränderlichen, ursprünglichen Formen des Denkens sind allerdings die der logischen Tafel der Urtheile Kants; nur daß auf dieser sich blinde Fenster, zu Gunsten der Symmetrie und der Kategorientafel befinden, die also wegfallen müssen; imgleichen eine falsche Ordnung. Also etwan:
    a) Qualität : Bejahung oder Verneinung, d. i. Verbindung oder Trennung der Begriffe: zwei Formen. Sie hängt der Kopula an.
    b) Quantität : der Subjektbegriff wird ganz oder zum Theil genommen: Allheit oder Vielheit. Zur ersteren gehören auch die individuellen Subjekte: Sokrates, heißt: »alle Sokrates«. Also nur zwei Formen. Sie hängt dem Subjekt an.
    c) Modalität : hat wirklich drei Formen. Sie bestimmt die Qualität als nothwendig, wirklich, oder zufällig. Sie hängt folglich ebenfalls der Kopula an.
    Diese drei Denkformen entspringen aus den Denkgesetzen vom Widerspruch und von der Identität. Aber aus dem Satz vom Grunde

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