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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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beständig
    Zurück nur kommen auf ihr erstes Wort,
    Wenn man Vernunft gesprochen stundenlang?

    Daß das Zurückgehn zu einer unbedingten Ursache, zu einem ersten Anfang, keineswegs im Wesen der Vernunft begründet sei, ist übrigens auch faktisch bewiesen, dadurch, daß die Urreligionen unsers Geschlechtes, welche auch noch jetzt die größte Anzahl von Bekennern auf Erden haben, also Brahmanismus und Buddhaismus, dergleichen Annahmen nicht kennen, noch zulassen, sondern die Reihe der einander bedingenden Erscheinungen ins Unendliche hinaufführen. Ich verweise hierüber auf die weiter unten, bei der Kritik der ersten Antinomie, folgende Anmerkung, wozu man noch Uphams »Doctrine of Buddhaism« (S, 9), und überhaupt jeden ächten Bericht über die Religionen Asiens nachsehn kann. Man soll nicht Judenthum und Vernunft identificiren. –
    Kant, der sein angebliches Vernunftprincip auch keineswegs als objektiv gültig, sondern nur als subjektiv nothwendig behaupten will, deducirt es, selbst als solches, nur durch ein seichtes Sophisma, S. 307; v, 364. Nämlich, weil wir jede uns bekannte Wahrheit unter eine allgemeinere zu subsumiren suchen, so lange es geht; so soll dieses nichts Anderes seyn, als eben schon die Jagd nach dem Unbedingten, welches wir voraussetzten. In Wahrheit aber thun wir durch solches Suchen nichts Anderes, als daß wir die Vernunft, d.h. jenes Vermögen abstrakter, allgemeiner Erkenntniß, welches den besonnenen, sprachbegabten, denkenden Menschen vom Thier, dem Sklaven der Gegenwart, unterscheidet, anwenden und zweckmäßig gebrauchen zur Vereinfachung unserer Erkenntniß durch Uebersicht. Denn der Gebrauch der Vernunft besteht eben darin, daß wir das Besondere durch das Allgemeine, den Fall durch die Regel, diese durch die allgemeinere Regel erkennen, daß wir also die allgemeinsten Gesichtspunkte suchen: durch solche Uebersicht wird eben unsere Erkenntniß so sehr erleichtert und vervollkommnet, daß daraus der große Unterschied entsteht zwischen dem thierischen und dem menschlichen Lebenslauf, und wieder zwischen dem Leben des gebildeten und dem des rohen Menschen. Nun findet allerdings die Reihe der Erkenntnißgründe , welche allein auf dem Gebiet des Abstrakten, also der Vernunft, existirt, allemal ein Ende beim Unbeweisbaren, d.h. bei einer Vorstellung, die nach dieser Gestaltung des Satzes vom Grunde nicht weiter bedingt ist, also an dem, a priori oder a posteriori , unmittelbar anschaulichen Grunde des obersten Satzes der Schlußkette. Ich habe schon in der Abhandlung über den Satz vom Grunde, § 50, gezeigt, daß hier eigentlich die Reihe der Erkenntnißgründe übergeht in die der Gründe des Werdens, oder des Seyns. Diesen Umstand nun aber geltend machen wollen, um ein nach dem Gesetz der Kausalität Unbedingtes, sei es auch nur als Forderung, nachzuweisen; dies kann man nur, wenn man die Gestaltungen des Satzes vom Grunde noch gar nicht unterschieden hat, sondern, an den abstrakten Ausdruck sich haltend, sie alle konfundirt. Aber diese Verwechselung sucht Kant sogar durch ein bloßes Wortspiel mit Universalitas und Universitas zu begründen, S. 322; v, 379. – Es ist also grundfalsch, daß unser Aufsuchen höherer Erkenntnißgründe, allgemeiner Wahrheiten, entspringe aus der Voraussetzung eines seinem Daseyn nach unbedingten Objekts, oder nur irgend etwas hiemit gemein habe. Wie sollte es auch der Vernunft wesentlich seyn, etwas vorauszusetzen, das sie für ein Unding erkennen muß, sobald sie sich besinnt. Vielmehr ist der Ursprung jenes Begriffs vom Unbedingten nie in etwas Anderm nachzuweisen, als in der Trägheit des Individuums, das sich damit aller fremden und eigenen fernem Fragen entledigen will, wiewohl ohne alle Rechtfertigung.
    Diesem angeblichen Vernunftprincip nun spricht zwar Kant selbst die objektive Gültigkeit ab, giebt es aber doch für eine nothwendige subjektive Voraussetzung und bringt so einen unauflöslichen Zwiespalt in unsere Erkenntniß, welchen er bald deutlicher hervortreten läßt. Zu diesem Zweck entfaltet er jenes Vernunftprincip weiter, S. 322; V, 379, nach der beliebten architektonisch-symmetrischen Methode. Aus den drei Kategorien der Relation entspringen drei Arten von Schlüssen, jede von welchen den Leitfaden giebt zur Aufsuchung eines besondern Unbedingten, deren es daher wieder drei giebt: Seele, Welt (als Objekt an sich und geschlossene Totalität), Gott. Hiebei ist nun sogleich ein großer Widerspruch zu bemerken, von welchem Kant aber

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