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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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Forderung des Satzes vom Grunde gänzlich getilgt; sie hebt von Neuem an, indem die Bedingung zum Bedingten wird. Also fordert der Satz vom zureichenden Grunde immer nur die Vollständigkeit der nächsten Bedingung , nie die Vollständigkeit einer Reihe . Aber eben dieser Begriff von Vollständigkeit der Bedingung läßt unbestimmt, ob solche eine simultane, oder eine successive seyn soll: und indem nun Letzteres gewählt wird, entsteht die Forderung einer vollständigen Reihe auf einander folgender Bedingungen. Bloß durch eine willkürliche Abstraktion wird eine Reihe von Ursachen und Wirkungen als eine Reihe von lauter Ursachen angesehn, die bloß der letzten Wirkung wegen dawären und daher als deren zureichender Grund gefordert würden. Bei näherer und besonnener Betrachtung und herabsteigend von der unbestimmten Allgemeinheit der Abstraktion zum einzelnen bestimmten Realen, findet sich hingegen, daß die Forderung eines zureichenden Grundes bloß auf die Vollständigkeit der Bestimmungen der nächsten Ursache geht, nicht auf die Vollständigkeit einer Reihe. Die Forderung des Satzes vom Grunde erlischt vollkommen in jedem gegebenen zureichenden Grunde. Sie hebt aber alsbald von Neuem an, indem dieser Grund wieder als Folge betrachtet wird: nie aber fordert sie unmittelbar eine Reihe von Gründen. Wenn man hingegen, statt zur Sache selbst zu gehn, sich innerhalb der abstrakten Begriffe hält, so sind jene Unterschiede verschwunden: dann wird eine Kette von abwechselnden Ursachen und Wirkungen, oder abwechselnden logischen Gründen und Folgen für eine Kette von lauter Ursachen oder Gründen zur letzten Wirkung ausgegeben, und die Vollständigkeit der Bedingungen , durch die ein Grund erst zureichend wird, erscheint als eine Vollständigkeit jener angenommenen Reihe von lauter Gründen, die nur der letzten Folge wegen dawären. Da tritt dann das abstrakte Vernunftprincip sehr keck mit seiner Forderung des Unbedingten auf. Aber um die Ungültigkeit derselben zu erkennen, bedarf es noch keiner Kritik der Vernunft, mittelst Antinomien und deren Auflösung, sondern nur einer Kritik der Vernunft, in meinem Sinne verstanden, nämlich einer Untersuchung des Verhältnisses der abstrakten Erkenntniß zur unmittelbar intuitiven, mittelst Herabsteigen von der unbestimmten Allgemeinheit jener zur festen Bestimmtheit dieser. Aus solcher ergiebt sich dann hier, daß keineswegs das Wesen der Vernunft im Fordern eines Unbedingten bestehe: denn sobald sie mit völliger Besonnenheit verfährt, muß sie selbst finden, daß ein Unbedingtes geradezu ein Unding ist. Die Vernunft, als ein Erkenntnißvermögen, kann es immer nur mit Objekten zu thun haben; alles Objekt für das Subjekt aber ist nothwendig und unwiderruflich dem Satz vom Grunde unterworfen und anheimgefallen, sowohl a parte ante als a parte post . Die Gültigkeit des Satzes vom Grunde liegt so sehr in der Form des Bewußtseins, daß man schlechterdings sich nichts objektiv vorstellen kann, davon kein Warum weiter zu fordern wäre, also kein absolutes Absolutum, wie ein Brett vor dem Kopf. Daß Diesen oder Jenen seine Bequemlichkeit irgendwo stillstehn und ein solches Absolutum beliebig annehmen heißt, kann nichts ausrichten gegen jene unumstößliche Gewißheit a priori , auch nicht wenn man sehr vornehme Mienen dazu macht. In der That ist das ganze Gerede vom Absoluten, dieses fast alleinige Thema der seit Kant versuchten Philosophien, nichts Anderes, als der kosmologische Beweis incognito. Dieser nämlich, in Folge des ihm von Kant gemachten Processes, aller Rechte verlustig und vogelfrei erklärt, darf sich in seiner wahren Gestalt nicht mehr zeigen, tritt daher in allerlei Verkleidungen auf, bald in vornehmen, bemäntelt durch intellektuale Anschauung, oder reines Denken, bald als verdächtiger Vagabunde, der was er verlangt halb erbettelt, halb ertrotzt, in den bescheideneren Philosophemen. Wollen die Herren absolut ein Absolutum haben; so will ich ihnen eines in die Hand geben, welches allen Anforderungen an ein Solches viel besser genügt, als ihre erfaselten Nebelgestalten: es ist die Materie. Sie ist unentstanden und unvergänglich, also wirklich unabhängig und quod per se est et per se concipitur : aus ihrem Schooß geht Alles hervor und Alles in ihn zurück: was kann man von einem Absolutum weiter verlangen? – Aber vielmehr sollte man ihnen, bei denen keine Kritik der Vernunft angeschlagen hat, zurufen:

    Seid ihr nicht wie die Weiber, die

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