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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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die, welche aus dem, was jenem Satze den Inhalt giebt, hervorgehn.
    Inzwischen tritt Kant endlich mit einem seiner Forderung entsprechenden angeblichen Princip der Vernunft hervor, aber auch nur mit diesem einen , aus dem nachher andere Folgesätze fließen. Es ist nämlich der Satz, den Chr. Wolf aufstellt und erläutert in seiner »Cosmologia«, sect. 1, c. 2, § 93 , und in seiner » Ontologia«, § 178. Wie nun oben, unter dem Titel der Amphibolie, bloße Leibnitzische Philosopheme für natürliche und nothwendige Irrwege der Vernunft genommen und als solche kritisirt wurden; gerade so geschieht das Selbe hier mit den Philosophemen Wolfs. Kant trägt dies Vernunftprincip noch durch Undeutlichkeit, Unbestimmtheit und Zerstückelung in ein Dämmerlicht gebracht vor (S. 307; v, 364, und 322; v, 379): es ist aber, deutlich ausgesprochen, folgendes: »Wenn das Bedingte gegeben ist, so muß auch die Totalität seiner Bedingungen, mithin auch das Unbedingte , dadurch jene Totalität allein vollzählig wird, gegeben seyn.« Der scheinbaren Wahrheit dieses Satzes wird man am lebhaftesten inne werden, wenn man sich die Bedingungen und die Bedingten vorstellt als die Glieder einer herabhängenden Kette, deren oberes Ende jedoch nicht sichtbar ist, daher sie ins Unendliche fortgehn könnte: da aber die Kette nicht fällt, sondern hängt, so muß oben ein Glied das erste und irgendwie befestigt seyn. Oder kürzer: die Vernunft möchte für die ins Unendliche zurückweisende Kausalkette einen Anknüpfungspunkt haben; das wäre ihr bequem. Aber wir wollen den Satz nicht an Bildern, sondern an sich selbst prüfen. Synthetisch ist derselbe allerdings: denn analytisch folgt aus dem Begriff des Bedingten nichts weiter, als der der Bedingung. Aber Wahrheit a priori hat er nicht, auch nicht a posteriori , sondern er erschleicht sich seinen Schein von Wahrheit auf eine sehr feine Weise, die ich jetzt aufdecken muß. Unmittelbar und a priori haben wir die Erkenntnisse, welche der Satz vom Grunde in seinen vier Gestaltungen ausdrückt. Von diesen unmittelbaren Erkenntnissen sind alle abstrakten Ausdrücke des Satzes vom Grunde schon entlehnt und sind also mittelbar: noch mehr aber deren Folgesätze. Ich habe schon oben erörtert, wie die abstrakte Erkenntniß oft mannigfaltige intuitive Erkenntnisse in eine Form oder einen Begriff so vereint, daß sie nun nicht mehr zu unterscheiden sind: daher sich die abstrakte Erkenntniß zur intuitiven verhält, wie der Schatten zu den wirklichen Gegenständen, deren große Mannigfaltigkeit er durch einen sie alle befassenden Umriß wiedergiebt. Diesen Schatten benutzt nun das angebliche Princip der Vernunft. Um aus dem Satz vom Grunde das Unbedingte, welches ihm geradezu widerspricht, doch zu folgern, verläßt es klüglich die unmittelbare, anschauliche Erkenntniß des Inhalts des Satzes vom Grunde in seinen einzelnen Gestalten, und bedient sich nur der abstrakten Begriffe, die aus jener abgezogen sind, und nur durch jene Werth und Bedeutung haben, um in den weiten Umfang jener Begriffe sein Unbedingtes irgendwie einzuschwärzen. Sein Verfahren wird durch dialektische Einkleidung am deutlichsten; z.B. so: »Wenn das Bedingte daist, muß auch seine Bedingung gegeben seyn, und zwar ganz, also vollständig, also die Totalität seiner Bedingungen, folglich, wenn sie eine Reihe ausmachen, die ganze Reihe, folglich auch der erste Anfang derselben, also das Unbedingte.« – Hiebei ist schon falsch, daß die Bedingungen zu einem Bedingten als solche eine Reihe ausmachen können. Vielmehr muß zu jedem Bedingten die Totalität seiner Bedingungen in seinem nächsten Grunde, aus dem es unmittelbar hervorgeht und der erst dadurch zureichender Grund ist, enthalten seyn. So z.B. die verschiedenen Bestimmungen des Zustandes welcher Ursache ist, als welche alle zusammengekommen seyn müssen, ehe die Wirkung eintritt. Die Reihe aber, z.B. die Kette der Ursachen, entsteht nur dadurch, daß wir Das, was soeben die Bedingung war, nun wieder als ein Bedingtes betrachten, wo dann aber sogleich die ganze Operation von vorne anfängt und der Satz vom Grunde mit seiner Forderung von Neuem auftritt. Nie aber kann es zu einem Bedingten eine eigentliche successive Reihe von Bedingungen geben, welche bloß als solche und des endlichen letzten Bedingten wegen daständen; sondern es ist immer eine abwechselnde Reihe von Bedingten und Bedingungen: bei jedem zurückgelegten Gliede aber ist die Kette unterbrochen und die

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