Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
es mit Recht, daß man die Philosophie der Neueren vom Cartesius , als dem Vater derselben, ausgehn läßt. Auf diesem Wege weiter gehend gelangte, nicht lange darauf, Berkeley zum eigentlichen Idealismus , d.h. zu der Erkenntniß, daß das im Raum Ausgedehnte, also die objektive, materielle Welt überhaupt, als solche, schlechterdings nur in unserer Vorstellung existirt, und daß es falsch, ja absurd ist, ihr, als solcher , ein Daseyn außerhalb aller Vorstellung und unabhängig vom erkennenden Subjekt beizulegen, also eine schlechthin vorhandene an sich seiende Materie anzunehmen. Diese sehr richtige und tiefe Einsicht macht aber auch eigentlich Berkeley's ganze Philosophie aus: er hatte sich daran erschöpft.
Demnach muß die wahre Philosophie jedenfalls idealistisch seyn; ja, sie muß es, um nur redlich zu seyn. Denn nichts ist gewisser, als daß Keiner jemals aus sich herauskann, um sich mit den von ihm verschiedenen Dingen unmittelbar zu identificiren: sondern Alles, wovon er sichere, mithin unmittelbare Kunde hat, liegt innerhalb seines Bewußtseyns. Ueber dieses hinaus kann es daher keine unmittelbare Gewißheit geben: eine solche aber müssen die ersten Grundsätze einer Wissenschaft haben. Dem empirischen Standpunkt der übrigen Wissenschaften ist es ganz angemessen, die objektive Welt als schlechthin vorhanden anzunehmen: nicht so dem der Philosophie, als welche auf das Erste und Ursprüngliche zurückzugehn hat. Nur das Bewußtseyn ist unmittelbar gegeben, daher ist ihre Grundlage auf Thatsachen des Bewußtseyns beschränkt: d.h. sie ist wesentlich idealistisch . – Der Realismus, der sich dem rohen Verstande dadurch empfiehlt, daß er sich das Ansehn giebt thatsächlich zu seyn, geht gerade von einer willkürlichen Annahme aus und ist mithin ein windiges Luftgebäude, indem er die allererste Thatsache überspringt oder verleugnet, diese, daß Alles was wir kennen innerhalb des Bewußtseyns liegt. Denn, daß das objektive Daseyn der Dinge bedingt sei durch ein sie Vorstellendes, und folglich die objektive Welt nur als Vorstellung existirte, ist keine Hypothese, noch weniger ein Machtspruch, oder gar ein Disputirens halber aufgestelltes Paradoxon; sondern es ist die gewisseste und einfachste Wahrheit, deren Erkenntniß nur dadurch erschwert wird, daß sie gar zu einfach ist, und nicht Alle Besonnenheit genug haben, um auf die ersten Elemente ihres Bewußtseins von den Dingen zurückzugehn. Nimmermehr kann es ein absolut und an sich selbst objektives Daseyn geben; ja, ein solches ist geradezu undenkbar: denn immer und wesentlich hat das Objektive, als solches, seine Existenz im Bewußtsein eines Subjekts, ist also dessen Vorstellung, folglich bedingt durch dasselbe und dazu noch durch dessen Vorstellungsformen, als welche dem Subjekt, nicht dem Objekt anhängen.
Daß die objektive Welt dawäre , auch wenn gar kein erkennendes Wesen existirte, scheint freilich auf den ersten Anlauf gewiß; weil es sich in abstracto denken läßt, ohne daß der Widerspruch zu Tage käme, den es im Innern trägt. – Allein wenn man diesen abstrakten Gedanken realisiren , d.h. ihn auf anschauliche Vorstellungen, von welchen allein er doch (wie alles Abstrakte) Gehalt und Wahrheit haben kann, zurückführen will und demnach versucht, eine objektive Welt ohne erkennendes Subjekt zu imaginiren ; so wird man inne, daß Das, was man da imaginirt, in Wahrheit das Gegentheil von Dem ist, was man beabsichtigte, nämlich nichts Anderes, als eben nur der Vorgang im Intellekt eines Erkennenden, der eine objektive Welt anschaut, also gerade Das, was man ausschließen gewollt hatte. Denn diese anschauliche und reale Welt ist offenbar ein Gehirnphänomen: daher liegt ein Widerspruch in der Annahme, daß sie auch unabhängig von allen Gehirnen, als eine solche, daseyn sollte.
Der Haupteinwand gegen die unumgängliche und wesentliche Idealität alles Objekts , der Einwand, der sich in Jedem, deutlich oder undeutlich, regt, ist wohl dieser: Auch meine eigene Person ist Objekt für einen Andern, ist also dessen Vorstellung; und doch weiß ich gewiß, daß ich dawäre, auch ohne daß Jener mich vorstellte. In dem selben Verhältniß aber, in welchem ich zu seinem Intellekt stehe, stehn auch alle andern Objekte zu diesem: folglich wären auch sie da, ohne daß jener Andere sie vorstellte. – Hierauf ist die Antwort: Jener Andere, als dessen Objekt ich jetzt meine Person betrachte, ist nicht schlechthin das Subjekt , sondern zunächst ein
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