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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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Energie des Pulses der Gehirnadern. Demnach fällt gewiß das Bild der selben Aussicht in verschiedenen Köpfen, auch bei gleicher Schärfe ihrer Augen, so verschieden aus, wie etwan der erste und letzte Abdruck einer stark gebrauchten Kupferplatte. Hierauf beruht die große Verschiedenheit der Fähigkeit zum Genüsse der schönen Natur und folglich auch zum Nachbilden derselben, d.h. zum Hervorbringen des gleichen Gehirnphänomens mittelst einer ganz anderartigen Ursache, nämlich der Farbenflecke auf einer Leinwand.
    Uebrigens hat die auf der gänzlichen Intellektualität der Anschauung beruhende scheinbare Unmittelbarkeit derselben, vermöge welcher wir, wie Euler sagt, die Dinge selbst und als außer uns gelegen apprehendiren, ein Analogon an der Art, wie wir die Theile unsers eigenen Leibes empfinden, zumal wenn sie schmerzen, welches, sobald wir sie empfinden, meistens der Fall ist. Wie wir nämlich wähnen, die Dinge unmittelbar dort, wo sie sind, wahrzunehmen, während es doch wirklich im Gehirn geschieht; so glauben wir auch den Schmerz eines Gliedes in diesem selbst zu empfinden, während dieser ebenfalls im Gehirn empfunden wird, wohin ihn der Nerv des afficirten Theiles leitet. Daher werden nur die Affektionen solcher Theile, deren Nerven zum Gehirn gehn, empfunden, nicht aber die, deren Nerven dem Gangliensystem angehören; es sei denn, daß eine überaus starke Affektion derselben auf Umwegen bis ins Gehirn dringe, wo sie sich doch meistens nur als dumpfes Unbehagen und stets ohne genaue Bestimmung ihres Ortes zu erkennen giebt. Daher auch werden die Verletzungen eines Gliedes, dessen Nervenstamm durchschnitten oder unterbunden ist, nicht empfunden. Daher endlich fühlt wer ein Glied verloren hat doch noch bisweilen Schmerz in demselben, weil die zum Gehirn gehenden Nerven noch dasind. – Also in beiden hier verglichenen Phänomenen wird was im Gehirn vorgeht als außer demselben apprehendirt: bei der Anschauung durch Vermittelung des Verstandes, der seine Fühlfäden in die Außenwelt streckt; bei der Empfindung der Glieder durch Vermittelung der Nerven.

Kapitel 3. Ueber die Sinne
    Von Anderen Gesagtes zu wiederholen ist nicht der Zweck meiner Schriften: daher gebe ich hier nur einzelne, eigene Betrachtungen über die Sinne.
    Die Sinne sind bloß die Ausläufe des Gehirns, durch welche es von außen den Stoff empfängt (in Gestalt der Empfindung), den es zur anschaulichen Vorstellung verarbeitet. Diejenigen Empfindungen, welche hauptsächlich zur objektiven Auffassung der Außenwelt dienen sollten, mußten an sich selbst weder angenehm noch unangenehm seyn: dies besagt eigentlich, daß sie den Willen ganz unberührt lassen mußten. Außerdem nämlich würde die Empfindung selbst unsere Aufmerksamkeit fesseln und wir bei der Wirkung stehn bleiben, statt, wie hier bezweckt war, sogleich zur Ursache überzugehn: so nämlich bringt es der entschiedene Vorrang mit sich, den, für unsere Beachtung, der Wille überall vor der bloßen Vorstellung hat, als welcher wir uns erst dann zuwenden, wann jener schweigt. Demgemäß sind Farben und Töne an sich selbst und so lange ihr Eindruck das normale Maaß nicht überschreitet, weder schmerzliche, noch angenehme Empfindungen; sondern treten mit derjenigen Gleichgültigkeit auf, die sie zum Stoff rein objektiver Anschauungen eignet. Dies ist nämlich so weit der Fall, als es an einem Leibe, der an sich selbst durch und durch Wille ist, überhaupt möglich seyn konnte, und ist eben in dieser Hinsicht bewunderungswerth. Physiologisch beruht es darauf, daß in den Organen der edleren Sinne, also des Gesichts und Gehörs, diejenigen Nerven, welche den specifischen äußern Eindruck aufzunehmen haben, gar keiner Empfindung von Schmerz fähig sind, sondern keine andere Empfindung, als die ihnen specifisch eigenthümliche, der bloßen Wahrnehmung dienende, kennen. Demnach ist die Retina, wie auch der optische Nerv, gegen jede Verletzung unempfindlich, und eben so ist es der Gehörnerv: in beiden Organen wird Schmerz nur in den übrigen Theilen derselben, den Umgebungen des ihnen eigenthümlichen Sinnesnerven, empfunden, nie in diesem selbst: beim Auge hauptsächlich in der conjunctiva ; beim Ohr im meatus auditorius . Sogar mit dem Gehirn verhält es sich eben so, indem dasselbe, wenn unmittelbar selbst, also von oben, angeschnitten, keine Empfindung davon hat. Also nur vermöge dieser ihnen eigenen Gleichgültigkeit in Bezug auf den Willen werden die Empfindungen des

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