Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
darüber hinwegfahren, gleicht zum Schein gegebenen Schlägen, die nie treffen. Ein rechtes Muster von solchem Vernünfteln ist ferner des Philosophen Sallustius Büchelchen De Diis et mundo , besonders c. c. 7, 12 et 17. Aber ein eigentliches Kabinetstück von philosophischem Vernünfteln, übergehend in entschiedenes Sophisticiren, ist folgendes Räsonnement des Platonikers Maximus Tyrius , welches ich, da es kurz ist, hersetzen will. »Jede Ungerechtigkeit ist die Entreißung eines Guts: es giebt kein anderes Gut, als die Tugend: die Tugend aber ist nicht zu entreißen: also ist es nicht möglich, daß der Tugendhafte Ungerechtigkeit erleide von dem Bösen. Nun bleibt übrig, daß entweder gar keine Ungerechtigkeit erlitten werden kann, oder daß solche der Böse von dem Bösen erleide. Allein der Böse besitzt gar kein Gut; da nur die Tugend ein solches ist: also kann ihm keines genommen werden. Also kann auch er keine Ungerechtigkeit erleiden. Also ist die Ungerechtigkeit eine unmögliche Sache.« – Das Original, durch Wiederholungen weniger koncis, lautet so: Adikia esti aphairesis agathou; to de agathon ti an eiê allo ê aretê; – hê de aretê anaphaireton. Ouk adikêsetai toinyn ho tên aretên echôn, ê ouk estin adikia aphairesis agathou; ouden gar agathon aphaireton, oud' apoblêton, oud' heleton, oude lêiston. Eien oun, oud' adikeitai ho chrêstos, oud' hypo tou mochthêrou; anaphairetos gar. Leipetai toinyn ê mêdena adikeisthai kathapax, ê ton mochthêron hypo tou homoiou; alla tô mochthêrô oudenos metestin agathou; hê de adikia ên agathou aphairesis ho de mê echôn ho, ti aphairesthê, oude eis ho, ti adikêsthê, echei (Sermo 2). Auch ein modernes Beispiel von solchem Beweisen aus abstrakten Begriffen, wodurch ein offenbar absurder Satz als Wahrheit aufgestellt wird, will ich noch hinzufügen und nehme es aus den Werken eines großen Mannes, des Jordanus Brunus . In seinem Buche Del Infinito, universo e mondi (S. 87 der Ausgabe von A. Wagner) läßt er einen Aristoteliker (mit Benutzung und Uebertreibung der Stelle I, 5 De coelo des Aristoteles) beweisen, daß jenseit der Welt kein Raum seyn könne. Die Welt nämlich sei eingeschlossen von der achten Sphäre des Aristoteles; jenseit dieser aber könne kein Raum mehr seyn. Denn: gäbe es jenseit derselben noch einen Körper; so wäre dieser entweder einfach oder zusammengesetzt. Nun wird aus lauter erbetenen Principien sophistisch bewiesen, daß kein einfacher Körper daselbst seyn könne; aber auch kein zusammengesetzter : denn dieser müßte aus einfachen bestehn. Also ist daselbst überhaupt kein Körper; – dann aber auch kein Raum . Denn der Raum wird definirt als »das, wir in Körper seyn können«: nun ist aber eben bewiesen, daß daselbst keine Körper seyn können. Also ist auch kein Raum da. Dies Letztere ist der Hauptstreich dieses Beweisens aus abstrakten Begriffen. Im Grunde beruht er darauf, daß der Satz »wo kein Raum ist, können keine Körper seyn« als ein allgemein verneinender genommen und demnach simpliciter konvertirt wird: »wo keine Körper seyn können, da ist kein Raum«. Aber jener Satz ist, genau betrachtet, ein allgemein bejahender, nämlich dieser: »alles Raumlose ist körperlos«: er darf also nicht simpliciter konvertirt werden. Jedoch läßt nicht jeder Beweis aus abstrakten Begriffen, mit einem Ergebniß, welches der Anschauung offenbar widerstreitet (wie hier die Endlichkeit des Raumes), sich auf so einen logischen Fehler zurückführen. Denn das Sophistische liegt nicht immer in der Form, sondern oft in der Materie, in den Prämissen und in der Unbestimmtheit der Begriffe und ihres Umfangs. Hiezu finden sich zahlreiche Belege bei Spinoza , dessen Methode es ja ist, aus Begriffen zu beweisen; man sehe z.B. die erbärmlichen Sophismen, in seiner Ethica, P. IV, prop. 29-31 , mittelst der Vieldeutigkeit der schwankenden Begriffe convenire und commune habere . Doch verhindert Dergleichen nicht, daß den Neo-Spinozisten unserer Tage Alles, was er gesagt hat, als ein Evangelium gilt. Besonders sind unter ihnen die Hegelianer, deren es wirklich noch einige giebt, belustigend, durch ihre traditionelle Ehrfurcht vor seinem Satz omnis determinatio est negatio , bei welchem sie, dem scharlatanischen Geiste der Schule gemäß, ein Gesicht machen, als ob er die Welt aus den Angeln zu heben vermöchte; während man keinen Hund damit aus dem Ofen locken kann; indem auch der Einfältigste von selbst begreift, daß
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