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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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unerwarteten, gewissermaaßen nur durch Schikane geltend gemachten minor ; in Folge welcher Verbindung die Konklusion die Eigenschaft des Lächerlichen an sich hat.
    Ich habe, im ersten Bande, für überflüssig gehalten, diese Theorie an Beispielen zu erläutern; da Jeder dies, durch ein wenig Nachdenken über ihm erinnerliche Fälle des Lächerlichen, leicht selbst leisten kann. Um jedoch auch der Geistesträgheit derjenigen Leser, die durchaus im passiven Zustand verharren wollen, zu Hülfe zu kommen, will ich mich hier dazu bequemen. Sogar will ich, in dieser dritten Auflage, die Beispiele vermehren und anhäufen; damit es unbestritten sei, daß hier, nach so vielen fruchtlosen, früheren Versuchen, die wahre Theorie des Lächerlichen gegeben und das schon vom Cicero aufgestellte, aber auch aufgegebene Problem definitiv gelöst sei. –
    Wenn wir bedenken, daß zu einem Winkel zwei auf einander treffende Linien erfordert sind, welche, wenn verlängert, einander schneiden, die Tangente hingegen den Kreis nur an einem Punkte streift, an diesem Punkte aber eigentlich mit ihm parallel geht, und wir demgemäß die abstrakte Ueberzeugung von der Unmöglichkeit eines Winkels zwischen Kreislinie und Tangente gegenwärtig haben; nun aber doch auf dem Papier ein solcher Winkel uns augenscheinlich vorliegt; so wird dieses uns leicht ein Lächeln abnöthigen. Das Lächerliche in diesem Fall ist zwar äußerst schwach: hingegen tritt gerade in ihm der Ursprung desselben aus der Inkongruenz des Gedachten zum Angeschauten ungemein deutlich hervor. – Je nachdem wir, beim Auffinden einer solchen Inkongruenz, vom Realen, d.i. Anschaulichen, zum Begriff, oder aber umgekehrt vom Begriff zum Realen übergehn, ist das dadurch entstehende Lächerliche entweder ein Witzwort, oder aber eine Ungereimtheit, im hohem Grade, zumal im Praktischen, eine Narrheit; wie im Text auseinandergesetzt worden. Um nun Beispiele des ersten Falles, also des Witzes, zu betrachten, wollen wir zunächst die allbekannte Anekdote nehmen vom Gaskogner, über den der König lachte, als er ihn bei strenger Winterkälte in leichter Sommerkleidung sah, und der darauf zum König sagte: »Hätten Ew. Maj. angezogen, was ich angezogen habe; so würden Sie es sehr warm finden«, – und auf die Frage, was er angezogen habe: »Meine ganze Garderobe.« – Unter diesem letztern Begriff ist nämlich, so gut wie die unübersehbare Garderobe eines Königs, auch das einzige Sommerröckchen eines armen Teufels zu denken, dessen Anblick auf seinem frierenden Leibe sich jedoch dem Begriff sehr inkongruent zeigt. – Das Publikum eines Theaters in Paris verlangte einst, daß die Marseillaise gespielt werde, und gerieth, als dies nicht geschah, in großes Schreien und Toben; so daß endlich ein Polizeikommissarius in Uniform auf die Bühne trat und erklärte, es sei nicht erlaubt, daß im Theater etwas Anderes vorkomme, als was auf dem Zettel stehe. Da rief eine Stimme: Et vous, Monsieur, êtes-vous aussi sur l'affiche? welcher Einfall das einstimmigste Gelächter erregte. Denn hier ist die Subsumtion des Heterogenen unmittelbar deutlich und ungezwungen. – Das Epigramm:

    » Bav ist der treue Hirt, von dem die Bibel sprach:
    Wenn seine Heerde schläft, bleibt er allein noch wach«,

    subsumirt unter den Begriff eines bei der schlafenden Heerde wachenden Hirten, den langweiligen Prediger, der die ganze Gemeinde eingeschläfert hat und nun ungehört allein fortbelfert. – Analog ist die Grabschrift eines Arztes: »Hier liegt er, wie ein Held, und die Erschlagenen liegen um ihn her«; – es subsumirt unter den dem Helden ehrenvollen Begriff des »von Getödteten umringt Liegens« den Arzt, der das Leben erhalten soll. – Sehr häufig besteht das Witzwort in einem einzigen Ausdruck, durch den eben nur der Begriff angegeben wird, unter welchen der vorliegende Fall subsumirt werden kann, welcher jedoch Allem, was sonst darunter gedacht wird, sehr heterogen ist. So im Romeo , wenn der lebhafte, aber soeben tödtlich verwundete Merkutio seinen Freunden, die ihn Morgen zu besuchen versprechen, antwortet: »Ja, kommt nur, ihr werdet einen stillen Mann an mir finden«, unter welchen Begriff hier der Todte subsumirt wird: im Englischen kommt aber noch das Wortspiel hinzu, daß a grave man zugleich den ernsthaften, und den Mann des Grabes bedeutet. – Dieser Art ist auch die bekannte Anekdote vom Schauspieler Unzelmann: nachdem auf dem Berliner Theater alles Improvisiren streng

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