Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
Vom Netzwerk:
umgestoßen zu haben: d.h. er macht argumenta ad hominem als argumenta ad rem geltend. Zu weit, auf der andern Seite, gehn vielleicht die Chinesen, indem sie folgenden Spruch haben: »Wer beredt ist und eine scharfe Zunge hat, mag immer die Hälfte eines Satzes unausgesprochen lassen; und wer das Recht auf seiner Seite hat, kann drei Zehntel seiner Behauptung getrost nachgeben.«

Kapitel 12.Zur Wissenschaftslehre

    Aus der in sämmtlichen vorhergegangenen Kapiteln gegebenen Analyse der verschiedenen Funktionen unsers Intellekts erhellt, daß zu einem regelrechten Gebrauch desselben, sei es in theoretischer oder in praktischer Absicht, Folgendes erforderlich ist: 1) die richtige anschauende Auffassung der in Betracht genommenen realen Dinge und aller ihrer wesentlichen Eigenschaften und Verhältnisse, also aller Data . 2) Die Bildung richtiger Begriffe aus diesen, also die Zusammenfassung jener Eigenschaften unter richtige Abstrakta, welche jetzt das Material des nachfolgenden Denkens werden. 3) Die Vergleichung dieser Begriffe, theils mit dem Angeschauten, theils unter sich, theils mit dem übrigen Vorrath von Begriffen; so daß richtige, zur Sache gehörige und diese vollständig befassende und erschöpfende Urtheile daraus hervorgehn: also richtige Beurtheilung der Sache. 4) Die Zusammenstellung, oder Kombination dieser Urtheile zu Prämissen von Schlüssen : diese kann nach Wahl und Anordnung der Urtheile sehr verschieden ausfallen und doch ist das eigentliche Resultat der ganzen Operation zunächst von ihr abhängig. Es kommt hiebei darauf an, daß, aus so vielen möglichen Kombinationen jener verschiedenen zur Sache gehörigen Urtheile, die freie Ueberlegung gerade die zweckdienlichen und entscheidenden treffe. – Ist aber bei der ersten Funktion, also bei der anschauenden Auffassung der Dinge und Verhältnisse, irgend ein wesentlicher Punkt übersehn worden; so kann die Richtigkeit aller nachfolgenden Operationen des Geistes doch nicht verhindern, daß das Resultat falsch ausfalle: denn dort liegen die Data , der Stoff der ganzen Untersuchung. Ohne die Gewißheit, daß diese richtig und vollständig beisammen seien, soll man sich, in wichtigen Dingen, jeder definitiven Entscheidung enthalten. –
    Ein Begriff ist richtig ; ein Unheil wahr ; ein Körper real; ein Verhältniß evident .- Ein Satz von unmittelbarer Gewißheit ist ein Axiom . Nur die Grundsätze der Logik und die aus der Anschauung a priori geschöpften der Mathematik, endlich auch das Gesetz der Kausalität, haben unmittelbare Gewißheit. – Ein Satz von mittelbarer Gewißheit ist ein Lehrsatz , und das dieselbe Vermittelnde ist der Beweis. – Wird einem Satz, der keine unmittelbare Gewißheit hat, eine solche beigelegt; so ist er eine petitio principii . – Ein Satz, der sich unmittelbar auf die empirische Anschauung beruft, ist eine Assertion : seine Konfrontation mit derselben verlangt Urtheilskraft. – Die empirische Anschauung kann zunächst nur einzelne , nicht aber allgemeine Wahrheiten begründen: durch vielfache Wiederholung und Bestätigung erhalten solche zwar auch Allgemeinheit, jedoch nur eine komparative und prekäre, weil sie immer noch der Anfechtung offen steht. – Hat aber ein Satz absolute Allgemeingültigkeit; so ist die Anschauung, auf die er sich beruft, keine empirische, sondern a priori. Vollkommen sichere Wissenschaften sind demnach allein Logik und Mathematik: sie lehren uns aber auch eigentlich nur, was wir schon vorher wußten. Denn sie sind bloße Verdeutlichungen des uns a priori Bewußten, nämlich der Formen unsers eigenen Erkennens, die eine der des denkenden, die andere der des anschauenden. Wir spinnen sie daher ganz aus uns selbst heraus. Alles andere Wissen ist empirisch.
    Ein Beweis beweist zu viel , wenn er sich auf Dinge oder Fälle erstreckt, von denen das zu Beweisende offenbar nicht gilt, daher er durch diese apagogisch widerlegt wird. – Die Deductio ad absurdum besteht eigentlich darin, daß man, die aufgestellte falsche Behauptung zum Obersatze nehmend und eine richtige Minor hinzufügend, eine Konklusio erhält, welche erfahrungsmäßigen Thatsachen oder unbezweifelbaren Wahrheiten widerspricht. Auf einem Umwege aber muß eine solche für jede falsche Lehre möglich seyn; sofern der Verfechter dieser doch wohl irgend eine Wahrheit erkennt und zugiebt: denn alsdann müssen die Folgerungen aus dieser und andererseits die aus der falschen Behauptung sich so weit fortführen lassen, bis zwei

Weitere Kostenlose Bücher