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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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beiden Begriffen bekannt ist und er sich zu der einzunehmenden Stelle eignet: daher kann man ihn in vielen Fällen auch beliebig gegen einen andern vertauschen, ohne daß es den Syllogismus afficirt: z.B. in dem Schluß:
    Alle Menschen sind sterblich;
    Kajus ist ein Mensch:
    kann ich den Medius »Mensch« vertauschen mit »animalische Wesen«. In dem Schluß:
    Alle Diamanten sind Steine;
    Alle Diamanten sind brennbar:
    kann ich den Medius »Diamant« vertauschen mit »Anthracit«. Als äußeres Merkmal, daran man sogleich die Figur eines Schlusses erkennt, ist allerdings der Medius sehr brauchbar. Aber zum Grundcharakter einer zu erklärenden Sache muß man ihr Wesentliches nehmen: dieses ist hier aber, ob man zwei Sätze zusammenstellt, um ihre Prädikate, oder ihre Subjekte, oder das Prädikat des einen und das Subjekt des andern zu vergleichen.
    Also um als Prämissen eine Konklusion zu erzeugen, müssen zwei Urtheile einen gemeinschaftlichen Begriff haben, ferner nicht beide verneinend, auch nicht beide partikular seyn, endlich im Fall die beiden in ihnen zu vergleichenden Begriffe ihre Subjekte sind, dürfen sie auch nicht beide bejahend seyn.
    Als ein Sinnbild des Syllogismus kann man die Voltaische Säule betrachten: ihr Indifferenzpunkt in der Mitte stellt den Medius vor, der das Zusammenhaltende der beiden Prämissen ist, vermöge dessen sie Schlußkraft haben: die beiden disparaten Begriffe hingegen, welche eigentlich das zu Vergleichende sind, werden durch die beiden heterogenen Pole der Säule dargestellt: erst indem diese, mittelst ihrer beiden Leitungsdrähte, welche die Kopula der beiden Urtheile versinnlichen, zusammengebracht werden, springt bei ihrer Berührung der Funke, – das neue Licht der Konklusion hervor.

Kapitel 11.Zur Rhetorik

    Beredsamkeit ist die Fähigkeit, unsere Ansicht einer Sache, oder unsere Gesinnung hinsichtlich derselben, auch in Andern zu erregen, unser Gefühl darüber in ihnen zu entzünden und sie so in Sympathie mit uns zu versetzen; dies Alles aber dadurch, daß wir, mittelst Worten, den Strohm unserer Gedanken in ihren Kopf leiten, mit solcher Gewalt, daß er den ihrer eigenen von dem Gange, den sie bereits genommen, ablenkt und in seinen Lauf mit fortreißt. Dies Meisterstück wird um so größer seyn, je mehr der Gang ihrer Gedanken vorher von dem unserigen abwich. Hieraus wird leicht begreiflich, warum die eigene Ueberzeugung und die Leidenschaft beredt macht, und überhaupt Beredsamkeit mehr Gabe der Natur, als Werk der Kunst ist: doch wird auch hier die Kunst die Natur unterstützen.
    Um einen Andern von einer Wahrheit, die gegen einen von ihm festgehaltenen Irrthum streitet, zu überzeugen, ist die erste zu befolgende Regel eine leichte und natürliche: man lasse die Prämissen vorangehn, die Konklusion aber folgen. Dennoch wird diese Regel selten beobachtet, sondern umgekehrt verfahren; weil Eifer, Hastigkeit und Rechthaberei uns treiben, die Konklusion, laut und gellend, dem am entgegengesetzten Irrthum Hängenden entgegen zu schreien. Dies macht ihn leicht kopfscheu, und nun stemmt er seinen Willen gegen alle Gründe und Prämissen, von denen er schon weiß, zu welcher Konklusion sie führen. Daher soll man vielmehr die Konklusion völlig verdeckt halten und allein die Prämissen geben, deutlich, vollständig, allseitig. Wo möglich spreche man sogar die Konklusion gar nicht aus: sie wird sich in der Vernunft der Hörer nothwendig und gesetzmäßig von selbst einfinden, und die so in ihnen selbst geborene Ueberzeugung wird um so aufrichtiger, zudem von Selbstgefühl, statt von Beschämung, begleitet seyn. In schwierigen Fällen kann man sogar die Miene machen, zu einer ganz entgegengesetzten Konklusion, als die man wirklich beabsichtigt, gelangen zu wollen. Ein Muster dieser Art ist die berühmte Rede des Antonius im »Julius Cäsar« von Shakespeare.
    Beim Vertheidigen einer Sache versehn Viele es darin, daß sie alles Ersinnliche, was sich dafür sagen läßt, getrost vorbringen, Wahres, Halbwahres und bloß Scheinbares durcheinander. Aber das Falsche wird bald erkannt, oder doch gefühlt, und verdächtigt nun auch das mit ihm zusammen vorgetragene Triftige und Wahre: man gebe also dieses rein und allein, und hüte sich, eine Wahrheit mit unzulänglichen und daher, sofern sie als zulänglich aufgestellt werden, sophistischen Gründen zu vertheidigen: denn der Gegner stößt diese um und gewinnt dadurch den Schein, auch die darauf gestützte Wahrheit selbst

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