Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
Sätze sich ergeben, die einander geradezu widersprechen. Von diesem schönen Kunstgriff achter Dialektik finden wir im Plato viele Beispiele.
Eine richtige Hypothese ist nichts weiter, als der wahre und vollständige Ausdruck der vorliegenden Thatsache, welche der Urheber derselben in ihrem eigentlichen Wesen und innern Zusammenhang intuitiv aufgefaßt hatte. Denn sie sagt uns nur, was hier eigentlich vorgeht.
Den Gegensatz der analytischen und synthetischen Methode finden wir schon beim Aristoteles angedeutet, deutlich beschrieben jedoch vielleicht zuerst beim Proklos , als welcher ganz richtig sagt: Methodoi de paradidontai kallistê men hê dia tês analyseôs ep' archên homologoumenên anagousa to zêtoumenon; hên kai Platôn, hôs phasi, Laodamanti paredôken. k. t. l. (Methodi traduntur sequentes: pulcherrima quidem ea, quae per analysin quaesitum refert ad principium, de quo jam convenit; quam etiam Plato Laodamanti tradidisse dicitur.) In primum Euclidis librum , L. III. Allerdings besteht die analytische Methode im Zurückführen des Gegebenen auf ein zugestandenes Princip; die synthetische hingegen in dem Ableiten aus einem solchen. Sie haben daher Analogie mit der, Kapitel 9 erörterten epagôgê und apagogê ; nur daß letztere nicht auf das Begründen, sondern stets auf das Umstoßen von Sätzen gerichtet ist. Die analytische Methode geht von den Thatsachen, dem Besondern, zu den Lehrsätzen, dem Allgemeinen, oder von den Folgen zu den Gründen; die andere umgekehrt. Daher wäre es viel richtiger, sie als die induktive und die deduktive Methode zu bezeichnen: denn die hergebrachten Namen sind unpassend und drücken die Sache schlecht aus.
Wollte ein Philosoph damit anfangen, die Methode , nach der er philosophiren will, sich auszudenken; so gliche er einem Dichter, der zuerst sich eine Aesthetik schriebe, um sodann nach dieser zu dichten: Beide aber glichen einem Menschen, der zuerst sich ein Lied sänge und hinterher danach tanzte. Der denkende Geist muß seinen Weg aus ursprünglichem Triebe finden: Regel und Anwendung, Methode und Leistung müssen, wie Materie und Form, unzertrennlich auftreten. Aber nachdem man angelangt ist, mag man den zurückgelegten Weg betrachten. Aesthetik und Methodologie sind, ihrer Natur nach, jünger als Poesie und Philosophie; wie die Grammatik jünger ist als die Sprache, der Generalbaß jünger als die Musik, die Logik jünger als das Denken.
Hier finde beiläufig eine Bemerkung ihre Stelle, durch die ich einem einreißenden Verderb, solange es noch Zeit ist, Einhalt thun möchte. – Daß das Lateinische aufgehört hat, die Sprache aller wissenschaftlichen Untersuchungen zu seyn, hat den Nachtheil, daß es nicht mehr eine unmittelbar gemeinsame wissenschaftliche Litteratur für ganz Europa giebt, sondern Nationallitteraturen; wodurch dann jeder Gelehrte zunächst auf ein viel kleineres, zudem in nationalen Einseitigkeiten und Vorurtheilen befangenes Publikum beschränkt ist. Sodann muß er jetzt die vier Europäischen Hauptsprachen, neben den beiden alten, erlernen. Hiebei nun wird es ihm eine große Erleichterung seyn, daß die termini technici aller Wissenschaften (mit Ausnahme der Mineralogie), als ein Erbtheil von unsern Vorgängern, Lateinisch oder Griechisch sind. Daher auch alle Nationen diese weislich beibehalten. Nur die Deutschen sind auf den unglücklichen Einfall gerathen, die termini technici aller Wissenschaften verdeutschen zu wollen. Dies hat zwei große Nachtheile. Erstlich wird der fremde und auch der deutsche Gelehrte genöthigt, alle Kunstausdrücke seiner Wissenschaft zwei Mal zu erlernen, welches, wo deren viele sind, z.B. in der Anatomie, unglaublich mühsam und weitläuftig ist. Wären die andern Nationen nicht, in diesem Stücke, klüger als die Deutschen; so hätten wir die Mühe, jeden terminus technicus fünf Mal zu erlernen. Fahren die Deutschen damit fort; so werden die auswärtigen Gelehrten die, überdies meistens viel zu ausführlichen, dazu in einem nachlässigen, schlechten, oft auch noch affektirten und geschmackwidrigen Stile, häufig auch mit einer unartigen Rücksichtslosigkeit gegen den Leser und dessen Bedürfnisse abgefaßten Bücher derselben vollends ungelesen lassen. – Zweitens sind jene Verdeutschungen der termini technici fast durchgängig lange, zusammengeflickte, ungeschickt gewählte, schleppende, dumpftönende, sich von der übrigen Sprache nicht scharf absondernde Worte, welche daher sich dem Gedächtniß
Weitere Kostenlose Bücher