Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
befestigt. Der einzige unmittelbare Nutzen, welcher der Mathematik gelassen wird, ist, daß sie unstäte und flatterhafte Köpfe gewöhnen kann, ihre Aufmerksamkeit zu fixiren. – Sogar Cartesiu s, der doch selbst als Mathematiker berühmt war, urtheilte eben so über die Mathematik. In der Vie de Descartes par Baillet, 1693, heißt es, Liv. II, eh. 6, p.54: Sa propre expérience l'avait convaincu du peu d'utilité des mathématiques, surtout lorsqu' on ne les cultive que pour elles mêmes. – – – Il ne voyait rien de moins solide, que de s'occuper de nombres tout simples et de figures imaginaires u.s.f.
Kapitel 14. Ueber die Gedankenassociation
Die Gegenwart der Vorstellungen und Gedanken in unserm Bewußtseyn ist dem Satze vom Grund, in seinen verschiedenen Gestalten, so streng unterworfen, wie die Bewegung der Körper dem Gesetze der Kausalität. So wenig ein Körper ohne Ursache in Bewegung gerathen kann, ist es möglich, daß ein Gedanke ohne Anlaß ins Bewußtseyn trete. Dieser Anlaß ist nun entweder ein äußerer , also ein Eindruck auf die Sinne; oder ein innerer , also selbst wieder ein Gedanke, der einen andern herbeiführt, vermöge der Association . Diese wieder beruht entweder auf einem Verhältniß von Grund und Folge zwischen beiden; oder aber auf Aehnlichkeit, auch bloßer Analogie; oder endlich auf Gleichzeitigkeit ihrer ersten Auffassung, welche wieder in der räumlichen Nachbarschaft ihrer Gegenstände ihren Grund haben kann. Die beiden letztern Fälle bezeichnet das Wort à propos. Für den intellektuellen Werth eines Kopfes ist das Vorherrschen des einen dieser drei Bänder der Gedankenassociation vor den andern charakteristisch: das zuerst genannte wird in den denkenden und gründlichen, das zweite in den witzigen, geistreichen, poetischen, das letzte in den beschränkten Köpfen vorherrschen. Nicht weniger charakteristisch ist der Grad der Leichtigkeit, mit welcher ein Gedanke andere, in irgend einer Beziehung zu ihm stehende, hervorruft: sie macht die Regsamkeit des Geistes aus. Aber die Unmöglichkeit des Eintritts eines Gedankens ohne seinen genügenden Anlaß, selbst beim stärksten Willen ihn hervorzurufen, bezeugen alle die Fälle, wo wir vergeblich bemüht sind, uns auf etwas zu besinnen , und nun den ganzen Vorrath unserer Gedanken durchprobiren, um irgend einen zu finden, der mit dem gesuchten associirt sei: finden wir jenen, so ist auch dieser da. Stets sucht wer eine Erinnerung hervorrufen will, zunächst nach einem Faden, an dem sie durch die Gedankenassociation hängt. Hierauf beruht die Mnemonik: sie will zu allen aufzubewahrenden Begriffen, Gedanken, oder Worten, uns mit leicht zu findenden Anlässen versehn. Das Schlimme jedoch ist, daß doch auch diese Anlässe selbst erst wiedergefunden werden müssen und hiezu wieder eines Anlasses bedürfen. Wie viel bei der Erinnerung der Anlaß leistet, läßt sich daran nachweisen, daß Einer, der in einem Anekdotenbuch fünfzig Anekdoten gelesen und dann es weggelegt hat, gleich darauf bisweilen nicht auf eine einzige sich besinnen kann: kommt jedoch ein Anlaß, oder fällt ihm ein Gedanke ein, der irgend eine Analogie mit einer jener Anekdoten hat; so fällt diese ihm sogleich ein; und so gelegentlich alle fünfzig. Das Selbe gilt von Allem, was man liest. – Im Grund beruht unser unmittelbares, d.h. nicht durch mnemonische Künste vermitteltes, Wortgedächtniß, und mit diesem unsere ganze Sprachfähigkeit, auf der unmittelbaren Gedankenassociation. Denn das Erlernen der Sprache besteht darin, daß wir, auf immer, einen Begriff mit einem Worte so zusammenketten, daß bei diesem Begriff stets zugleich dieses Wort, und bei diesem Wort dieser Begriff uns einfällt. Den selben Proceß haben wir nachmals bei Erlernung jeder neuen Sprache zu wiederholen. Erlernen wir jedoch eine Sprache bloß zum passiven, nicht zum aktiven Gebrauch, d.h. zum Lesen, nicht zum Sprechen, wie z.B. meistens das Griechische; so ist die Verkettung einseitig, indem beim Wort uns der Begriff, nicht aber durchweg beim Begriff das Wort einfällt. Der selbe Hergang, wie bei der Sprache, wird im Einzelnen augenfällig bei Erlernung jedes neuen Eigennamens. Bisweilen aber trauen wir uns nicht zu, mit dem Gedanken an diese Person, oder Stadt, Fluß, Berg, Pflanze, Thier u.s.w. den Namen derselben unmittelbar so fest zu verknüpfen, daß er ihn von selbst herbeizöge: alsdann helfen wir uns mnemonisch und verknüpfen das Bild der Person, oder Sache, mit irgend
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