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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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auf das Nächste, und bleibt bei diesem stehn, weil Sinnlichkeit und Verstand eigentlich nur ein Objekt zur Zeit auffassen können. Jede anhaltende, zusammengesetzte, planmäßige Thätigkeit muß daher von Grundsätzen, also von einem abstrakten Wissen ausgehn und danach geleitet werden. So ist z.B. die Erkenntniß, welche der Verstand vom Verhältniß der Ursache und Wirkung hat, zwar an sich viel vollkommener, tiefer und erschöpfender, als was davon in abstracto sich denken läßt: der Verstand allein erkennt anschaulich unmittelbar und vollkommen die Art des Wirkens eines Hebels, Flaschenzuges, Kammrades, das Ruhen eines Gewölbes in sich selbst u.s.w. Aber wegen der eben berührten Eigenschaft der intuitiven Erkenntniß, nur auf das unmittelbar Gegenwärtige zu gehn, reicht der bloße Verstand nicht hin zur Konstruktion von Maschinen und Gebäuden: vielmehr muß hier die Vernunft eintreten, an die Stelle der Anschauungen abstrakte Begriffe setzen, solche zur Richtschnur des Wirkens nehmen, und waren sie richtig, so wird der Erfolg eintreffen. Eben so erkennen wir in reiner Anschauung vollkommen das Wesen und die Gesetzmäßigkeit einer Parabel, Hyperbel, Spirale; aber um von dieser Erkenntniß sichere Anwendung in der Wirklichkeit zu machen, mußte sie zuvor zum abstrakten Wissen geworden seyn, wobei sie freilich die Anschaulichkeit einbüßt, aber dafür die Sicherheit und Bestimmtheit des abstrakten Wissens gewinnt. Also erweitert alle Differentialrechnung eigentlich gar nicht unsere Erkenntniß von den Kurven, enthält nichts mehr, als was schon die bloße reine Anschauung derselben; aber sie ändert die Art der Erkenntniß, verwandelt die intuitive in eine abstrakte, welches für die Anwendung so höchst folgenreich ist. Hier kommt nun aber noch eine Eigenthümlichkeit unsers Erkenntnißvermögens zur Sprache, welche man bisher wohl nicht bemerken konnte, so lange der Unterschied zwischen anschaulicher und abstrakter Erkenntniß nicht vollkommen deutlich gemacht war. Es ist diese, daß die Verhältnisse des Raums nicht unmittelbar und als solche in die abstrakte Erkenntniß übertragen werden können, sondern hiezu allein die zeitlichen Größen, d.h. die Zahlen geeignet sind. Die Zahlen allein können in ihnen genau entsprechenden abstrakten Begriffen ausgedrückt werden, nicht die räumlichen Größen. Der Begriff Tausend ist vom Begriff Zehn genau so verschieden, wie beide zeitliche Größen es in der Anschauung sind: wir denken bei Tausend ein bestimmt vielfaches von Zehn, in welches wir jenes für die Anschauung in der Zeit beliebig auflösen können, d.h. es zählen können. Aber zwischen dem abstrakten Begriff einer Meile und dem eines Fußes, ohne alle anschauliche Vorstellung von beiden und ohne Hülfe der Zahl, ist gar kein genauer und jenen Größen selbst entsprechender Unterschied. In beiden wird überhaupt nur eine räumliche Größe gedacht, und sollen beide hinlänglich unterschieden werden, so muß durchaus entweder die räumliche Anschauung zu Hülfe genommen, also schon das Gebiet der abstrakten Erkenntniß verlassen werden, oder man muß den Unterschied in Zahlen denken. Will man also von den räumlichen Verhältnissen abstrakte Erkenntniß haben, so müssen sie erst in zeitliche Verhältnisse, d.h. in Zahlen, übertragen werden: deswegen ist nur die Arithmetik, nicht die Geometrie, allgemeine Größenlehre, und die Geometrie muß in Arithmetik übersetzt werden, wenn sie Mittheilbarkeit, genaue Bestimmtheit und Anwendbarkeit auf das Praktische haben soll. Zwar läßt sich ein räumliches Verhältniß als solches auch in abstracto denken, z.B. »der Sinus wächst nach Maaßgabe des Winkels«; aber wenn die Größe dieses Verhältnisses angegeben werden soll, bedarf es der Zahl. Diese Nothwendigkeit, daß der Raum, mit seinen drei Dimensionen, in die Zeit, welche nur eine Dimension hat, übersetzt werden muß, wenn man eine abstrakte Erkenntniß (d.h. ein Wissen , kein bloßes Anschauen) seiner Verhältnisse haben will, diese Nothwendigkeit ist es, welche die Mathematik so schwierig macht. Dies wird sehr deutlich, wenn wir die Anschauung der Kurven vergleichen mit der analytischen Berechnung derselben, oder auch nur die Tafeln der Logarithmen der trigonometrischen Funktionen mit der Anschauung der wechselnden Verhältnisse der Theile des Dreiecks, welche durch jene ausgedrückt werden: was hier die Anschauung in einem Blick, vollkommen und mit äußerster Genauigkeit auffaßt, nämlich

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