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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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körperliches Gefühl als Getast, als Schmerz, als Gefühl für Farben, für Töne und deren Harmonien und Disharmonien, Gefühl des Hasses, Abscheues, der Selbstzufriedenheit, der Ehre, der Schande, des Rechts, des Unrechts, Gefühl der Wahrheit, ästhetisches Gefühl, Gefühl von Kraft, Schwäche, Gesundheit, Freundschaft, Liebe u.s.w. u.s.w. Durchaus keine Gemeinschaft ist zwischen ihnen, als die negative, daß sie keine abstrakte Vernunfterkenntniß sind; aber dieses wird am auffallendsten, wenn sogar die anschauliche Erkenntniß a priori der räumlichen Verhältnisse, und vollends die des reinen Verstandes unter jenen Begriff gebracht wird, und überhaupt von jeder Erkenntniß, jeder Wahrheit, deren man sich nur erst intuitiv bewußt ist, sie aber noch nicht in abstrakte Begriffe abgesetzt hat, gesagt wird, daß man sie fühle . Hievon will ich, zur Erläuterung, einige Beispiele aus neuem Büchern beibringen, weil sie frappante Belege meiner Erklärung sind. Ich erinnere mich, in der Einleitung einer Verdeutschung des Eukleides gelesen zu haben, man solle die Anfänger in der Geometrie die Figuren erst alle zeichnen lassen, ehe man zum Demonstriren schreite, weil sie alsdann die geometrische Wahrheit schon vorher fühlten , ehe ihnen die Demonstration die vollendete Erkenntniß beibrächte. – Eben so wird in der »Kritik der Sittenlehre« von F. Schleiermacher geredet vom logischen und mathematischen Gefühl (S. 339), auch vom Gefühl der Gleichheit oder Verschiedenheit zweier Formeln (S. 342); ferner in Tennemanns »Geschichte der Philosophie«, Bd. 1, S. 361, heißt es: »Man fühlte , daß die Trugschlüsse nicht richtig waren, konnte aber doch den Fehler nicht entdecken.« – So lange man nun diesen Begriff Gefühl nicht aus dem rechten Gesichtspunkte betrachtet und nicht jenes eine negative Merkmal, welches allein ihm wesentlich ist, erkennt, muß derselbe, wegen der übermäßigen Weite seiner Sphäre und seines bloß negativen, ganz einseitig bestimmten und sehr geringen Gehaltes, beständig Anlaß zu Mißverständnissen und Streitigkeiten geben. Da wir im Deutschen noch das ziemlich gleichbedeutende Wort Empfindung haben, so würde es dienlich seyn, dieses für die körperlichen Gefühle, als eine Unterart, in Beschlag zu nehmen. Der Ursprung jenes gegen alle andern disproportionirten Begriffs Gefühl ist aber ohne Zweifel folgender. Alle Begriffe, und nur Begriffe sind es welche Worte bezeichnen, sind nur für die Vernunft da, gehn von ihr aus: man steht mit ihnen also schon auf einem einseitigen Standpunkt. Aber von einem solchen aus erscheint das Nähere deutlich und wird als positiv gesetzt; das Fernere fließt zusammen und wird bald nur noch negativ berücksichtigt; so nennt jede Nation alle Andern Fremde, der Grieche alle Andern Barbaren, der Engländer Alles, was nicht England oder Englisch ist, continent und continental , der Gläubige alle Andern Ketzer, oder Heiden, der Adel alle Andern roturiers , der Student alle Andern Philister u. dgl, m. Die selbe Einseitigkeit, man kann sagen die selbe rohe Unwissenheit aus Stolz, läßt sich, so sonderbar es auch klingt, die Vernunft selbst zu Schulden kommen, indem sie unter den einen Begriff Gefühl jede Modifikation des Bewußtseyns befaßt, die nur nicht unmittelbar zu ihrer Vorstellungsweise gehört, d.h. nicht abstrakter Begriff ist. Sie hat dieses bisher, weil ihr eigenes Verfahren ihr nicht durch gründliche Selbstkenntniß deutlich geworden war, büßen müssen durch Mißverständnisse und Verirrungen auf ihrem eigenen Gebiet, da man sogar ein besonderes Gefühlsvermögen aufgestellt hat und nun Theorien desselben konstruirt.

    § 12
    Wissen , als dessen kontradiktorisches Gegentheil ich soeben den Begriff Gefühl erörtert habe, ist, wie gesagt, jede abstrakte Erkenntniß, d.h. Vernunfterkenntniß. Da nun aber die Vernunft immer nur das anderweitig Empfangene wieder vor die Erkenntniß bringt, so erweitert sie nicht eigentlich unser Erkennen, sondern giebt ihm bloß eine andere Form. Nämlich was intuitiv, was in concreto erkannt wurde, läßt sie abstrakt und allgemein erkennen. Dies ist aber ungleich wichtiger, als es, so ausgedrückt, dem ersten Blicke scheint. Denn alles sichere Aufbewahren, alle Mittheilbarkeit und alle sichere und weitreichende Anwendung der Erkenntniß auf das Praktische hängt davon ab, daß sie ein Wissen, eine abstrakte Erkenntniß geworden sei. Die intuitive Erkenntniß gilt immer nur vom einzelnen Fall, geht nur

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