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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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überhaupt darlegen.
    Eine solche Charakteristik ist darum möglich, weil wir als das innere Wesen der Welt etwas durchaus Wirkliches und empirisch Gegebenes erkannt haben. Hingegen schon die Benennung »Weltseele«, wodurch Manche jenes innere Wesen bezeichnet haben, giebt statt desselben ein bloßes ens rationis : denn »Seele« besagt eine individuelle Einheit des Bewußtseins, die offenbar jenem Wesen nicht zukommt, und überhaupt ist der Begriff »Seele«, weil er Erkennen und Wollen in unzertrennlicher Verbindung und dabei doch unabhängig vom animalischen Organismus hypostasirt, nicht zu rechtfertigen, also nicht zu gebrauchen. Das Wort sollte nie anders als in tropischer Bedeutung angewendet werden: denn es ist keineswegs so unverfänglich, wie psychê oder anima , als welche Athem bedeuten. –
    Noch viel unpassender jedoch ist die Ausdrucksweise der sogenannten Pantheisten, deren ganze Philosophie hauptsächlich darin besteht, daß sie das innere, ihnen unbekannte Wesen der Welt »Gott« betiteln; womit sie sogar viel geleistet zu haben meinen. Danach wäre denn die Welt eine Theophanie. Man sehe sie doch nur ein Mal darauf an, diese Welt beständig bedürftiger Wesen, die bloß dadurch , daß sie einander auffressen, eine Zeitlang bestehn, ihr Daseyn unter Angst und Noth durchbringen und oft entsetzliche Quaalen erdulden, bis sie endlich dem Tode in die Arme stürzen: wer dies deutlich ins Auge faßt, wird dem Aristoteles den Rat geben, wenn er sagt: hê physis daimonia, all' ou theia esti (natura daemonia est, non divina) ; de divinat., c. 2, p. 463 ; ja, er wird gestehn müssen, daß einen Gott, der sich hätte beigehn lassen, sich in eine solche Welt zu verwandeln, doch wahrlich der Teufel geplagt haben müßte. – Ich weiß es wohl, die vorgeblichen Philosophen dieses Jahrhunderts thun es dem Spinoza nach und halten sich hiedurch gerechtfertigt. Allein Spinoza hatte besondere Gründe, seine alleinige Substanz so zu benennen, um nämlich wenigstens das Wort, wenn auch nicht die Sache, zu retten. Giordano Bruno's und Vanini's Scheiterhaufen waren noch in frischem Andenken: auch Diese nämlich waren jenem Gotte geopfert worden, für dessen Ehre, ohne allen Vergleich, mehr Menschenopfer geblutet haben, als auf den Altären aller heidnischen Götter beider Hemisphären zusammengenommen. Wenn daher Spinoza die Welt Gott benennt; so ist es gerade nur so, wie wenn Rousseau , im Contrat social , stets und durchgängig mit dem Wort le souverain das Volk bezeichnet: auch könnte man es damit vergleichen, daß einst ein Fürst, welcher beabsichtigte, in seinem Lande den Adel abzuschaffen, auf den Gedanken kam, um Keinem das Seine zu nehmen, alle seine Unterthanen zu adeln. Jene Weisen unserer Tage haben freilich für die in Rede stehende Benennung noch einen andern Grund, der aber um nichts triftiger ist. Sie alle nämlich gehn, bei ihrem Philosophiren, nicht von der Welt, oder unserm Bewußtseyn von dieser aus, sondern von Gott, als einem Gegebenen und Bekannten: er ist nicht ihr quaesitum , sondern ihr datum . Wären sie Knaben, so würde ich ihnen darthun, daß dies eine petitio principii ist: jedoch sie wissen es, so gut wie ich. Allein nachdem Kant bewiesen hat, daß der Weg des frühem, redlich verfahrenden Dogmatismus, von der Welt zu einem Gott, doch nicht dahin führe; – da meinen nun diese Herren, sie hätten einen feinen Ausweg gefunden und machten es pfiffig. Der Leser späterer Zeit verzeihe, daß ich ihn von Leuten unterhalte, die er nicht kennt.
    Jeder Blick auf die Welt, welche zu erklären die Aufgabe des Philosophen ist, bestätigt und bezeugt, daß Wille zum Leben, weit entfernt eine beliebige Hypostase, oder gar ein leeres Wort zu seyn, der allein wahre Ausdruck ihres innersten Wesens ist. Alles drängt und treibt zum Daseyn , wo möglich zum organischen , d.i. zum Leben , und danach zur möglichsten Steigerung desselben: an der thierischen Natur wird es dann augenscheinlich, daß Wille zum Leben der Grundton ihres Wesens, die einzige unwandelbare und unbedingte Eigenschaft desselben ist. Man betrachte diesen universellen Lebensdrang, man sehe die unendliche Bereitwilligkeit, Leichtigkeit und Ueppigkeit, mit welcher der Wille zum Leben, unter Millionen Formen, überall und jeden Augenblick, mittelst Befruchtungen und Keimen, ja, wo diese mangeln, mittelst generatio aequivoca , sich ungestüm ins Daseyn drängt, jede Gelegenheit ergreifend, jeden lebensfähigen Stoff begierig an sich

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